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Nistende Vögel retten Kolonie 10 vor Abriss - vorerst

Veröffentlicht am 10.06.2020 von Julia Weiss

Nistende Vögel retten Kolonie 10 vor Abriss – vorerst. Für die Mieter war es eine schöne Überraschung: Statt dem Abrisstrupp kam vergangene Woche ein Vogelkundler in die Koloniestraße 10 in Gesundbrunnen. In einer kleinen Gruppe beging er den länglichen Hof mit den roten Backsteingebäuden und stellte fest, dass dort momentan viele Vögel nisten. Der angedrohte Teilabriss ist nun vorerst abgesagt – bis 30. September, dann endet die Nist- und Brutsaison.

Zwölf Wohnungen sind in der Koloniestraße 10 momentan noch vermietet. Einst war der Remisenhof Refugium, Arbeitsstätte und Heimat für 40 Bewohnende und Gewerbetreibende. Seit 2018 stehen die anliegenden Garagen, in denen Ateliers und Werkstätten untergebracht waren, leer (wir berichteten). Der Investor Romeo Uhlmann will dort Mikroapartments für Studierende bauen.

Marie Münch lebt in einer der verbliebenen Wohnungen und setzt sich für den Erhalt des Hofes ein. „Wir wollen ein offener Ort für die Nachbarschaft bleiben, mit Festen und Flohmärkten“, sagt sie. „Das ist genau das Gegenteil von dem, was hier entstehen soll: Apartments, in denen sich die Menschen untereinander nicht kennen und nichts miteinander zu tun haben.“

Die Mietergemeinschaft setzt sich für eine alternative Bebauung des Grundstücks ein, mit neuen Ateliers und Werkstätten. Die Grundstruktur des 1880 erbauten Hofes soll erhalten werden. „Dafür suchen wir nun einen Käufer, zum Beispiel eine Stiftung“, sagt Münch. „In der Hoffnung, dass der Investor dem öffentlichen Druck nachgiebt und freiwillig verkauft.“ Diesen Plan unterstützt auch das Bezirksamt.

Nicht nur die Kolonie 10 hat sich in den vergangenen Jahren verändert, die ganze Gegend rund um den Soldiner Kiez steht unter Gentrifizierungsdruck. Das hat die Berliner Abgeordnete June Tomiak (Grüne) beobachtet. Sie ist im Kiez aufgewachsen und hat dort ihr Bügerbüro. „Die Entwicklung setzte hier etwas verspätet ein, aber nun steigen die Mieten, vegane Cafés eröffnen und die soziokulturelle Struktur verändert sich“, sagt sie dem Tagesspiegel. Seit 2019 stehe der Kiez deshalb unter Milieuschutz – auch die Koloniestraße.

Dort fürchtet sich nun eine weitere Mietergemeinschaft vor Verdrängung. Ein Häuserkomplex in der Koloniestraße 13 wurde an die Skjerven Group verkauft. „Skjerven ist in Berlin für Verdrängungsstrategien bekannt“, schreiben die Mieter in einer Mail an den Tagesspiegel. Man hoffe nun, dass der Bezirk das Vorkaufsrecht ausübt.

Am Mittwoch ab 18 Uhr ist eine Protestaktion in der Koloniestraße Ecke Osloer Straße geplant. Und auch die Kolonie 10 will weiterkämpfen und hat eine Petition für den Erhalt des Remisenhofes gestartet. 7.832 Menschen haben schon unterschrieben. – Text: Julia Weiss/Foto: Marie Münch

Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Mitte. Die Tagesspiegel-Newsletter gibt es Bezirk für Bezirk und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de
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