Namen & Neues

Einigung in Sicht: Abriss und Neubau in der Habersaathstraße

Veröffentlicht am 16.12.2020 von Julia Weiss

Der jahrelange Streit um den Plattenbau in der Habersaathstraße 40-48 in Berlin-Mitte könnte bald ein Ende haben. Das teilte Bezirksstadträtin Ramona Reiser (Linke) dem Tagesspiegel mit. Das Verwaltungsgericht habe einen Vergleich zwischen Bezirk und dem Eigentümer vorgeschlagen. Der soll so aussehen: Der Eigentümer darf das Gebäude abreißen und neu bauen und der Bezirk stellt dafür Bedingungen wie möglichst niedrige Mietpreise für die Neubauwohnungen, Mieterschutz und Übergangswohnungen für die verbliebenen Mieter:innen.

„Seit Ende November liegt ein Vergleichsangebot auf dem Tisch“, sagt Reiser. Das Gericht habe dem Bezirksamt mitgeteilt, dass es die Genehmigung für den Abriss nicht länger verweigern dürfe. „Der Bezirk kann den Widerstand nicht länger halten“, sagt Reiser.

Der Rechtsstreit hat eine lange Vorgeschichte: Der Plattenbau gegenüber vom neuen BND-Gebäude, der früher ein Schwesternwohnheim der Charité war, wurde 2006 vom Land Berlin verkauft, für den Ramschpreis von zwei Millionen Euro. Später wurde es für das Zehnfache wieder verkauft, an die Firma Arcadia Estates. Der neue Investor wollte erst sanieren, entschied sich dann aber für den Abriss. Der Bezirk verweigerte ihm die Genehmigung. Mit dem Argument, dass es sich um günstigen „schützenswerten“ Wohnraum handle.

Auch Bewohner:innen des Hauses protestierten. Bis zuletzt hatten sich einige von ihnen geweigert, ihre Wohnungen zu verlassen – obwohl sie schon keine Mietverträge mehr hatten. Sie waren zu Besetzern im eigenen Haus geworden. Das Angebot des Eigentümers, 30.000 Euro für den Auszug zu erhalten, lehnten sie ab.

Der Streit wurde zum Präzedenzfall im Kampf um den Erhalt günstiger Mietwohnungen. Denn das Bezirksamt argumentierte vor Gericht mit dem Berliner Zweckentfremdungsverbot. Das schreibt eine Mietobergrenze von 7,92 pro Quadratmeter nettokalt vor, wenn für einen Neubau „schützenswerte“ Wohnungen abgerissen werden. Doch schon im Jahr 2019 hielt das Gesetz vor Gericht nicht stand. In einem ähnlichen Fall in Charlottenburg-Wilmersdorf urteilte das Verwaltungsgericht, dass der Bezirk die Genehmigung für den Abriss auf dieser Grundlage nicht verweigern dürfe.

„Wir versuchen nun das Beste für die Mieter:innen in der Habersaathstraße rauszuholen“, sagt Reiser. Verhandelt werde über Abfindungen, Übergangswohnungen, Mietpreise und zusätzliche Sozialwohnungen im neuen Haus. Der Eigentümer habe sich in letzter Zeit verhandlungsbereit gezeigt, so Reiser. Das sei auch dem öffentlichen Druck zu verdanken.

Ende Oktober hatten Aktivist:innen und obdachlose Menschen das größtenteils leerstehende Gebäude in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion besetzt. Die Bezirksverordnetenversammlung hatte daraufhin beschlossen, der Bezirk solle das Gebäude beschlagnahmen lassen, um dort obdachlose Menschen während der Pandemie unterbringen zu können. Auch Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) wollte diese Möglichkeit prüfen lassen. Kommt es nun zum Vergleich und dadurch zum Abriss des Gebäudes, ist die Diskussion allerdings hinfällig.