Namen & Neues

„Seniorenförderclub“ – ein Verein im Zwielicht

Veröffentlicht am 14.04.2021 von Julia Weiss

Das Haus in der Waldenserstraße in Moabit ist im Erdgeschoss geklinkert, darüber mit grauen Platten verkleidet. Schön geht anders. Ein Wohnhaus, das man übersehen würde, suchte man nicht nach einem gemeinnützigen Verein – dem „Seniorenförderclub Berlin“. Das Impressum gibt als Adresse hier seinen Sitz an. Doch nichts weist auf den im Netz so agilen Verein hin, nicht einmal ein Schild an der Fassade. Einen Hinweis auf einen Fahrdienst zur Impfbegleitung für Senior:innen findet sich auch nicht. Eine solche Impfbegleitung nämlich bietet der „Seniorenförderclub“ an und sucht dafür auch Ehrenamtliche Fahrer für das „mobile Flotten-Netzwerk“ und Spenden zur Finanzierung. Im Tagesspiegel und im Newsletter „Ehrensache“ wurde auf dieses Angebot hingewiesen. Nach einem kritischen Hinweis gibt es nun diesen unangekündigten Besuch bei der Vereins-Zentrale – und damit erst recht Irritationen.

Partnerschaftlich, gemeinnützig, ehrenamtlich? Dabei hört sich im Netz die Vereinsarbeit richtig prima an. Eigenwerbung: „Wir sind 100 Prozent gemeinnützig und ehrenamtlich.“ „Ein partnerschaftlicher Verein mit Kreativität und Visionen“, so stellt sich der Verein bei Betterplace dar: „Das Vereinsmotto des Seniorenförderclub Berlin e.V. wird seit der Gründung bis zur Entwicklung der heutigen Vereinsstrukturen täglich von jedem Einzelnen der Mitglieder aus tiefster Überzeugung und mit voller Begeisterung gelebt.“ „Unsere Ehrenamtlichen leisten hier wirklich tolle Arbeit“, heißt es auch in einer Mail des Seniorenförderclubs an den Newsletter „Ehrensache“.

Auf der Homepage des seit 2016 existierenden Vereins wird von „unserer Vision, unserer Mission“ gesprochen und davon, „die Menschen zu unterstützen, die unser Land aufgebaut haben“ und dies mit stimmungsvollen Fotos garniert. Ruft man die Seite auf, springt einem sofort ein orangefarbenes Herz entgegen: „Unterstützen Sie unser Flotten-Netzwerk für Senior/innen“ – „jetzt spenden“, ist zu lesen. Auf der Straße vor dem Vereinssitz oder auf dem Hof sucht man allerdings vergebens nach Fahrzeugen eines Flotten-Netzwerk.

Außerdem verwundert die weitere Angebotspalette dann doch. So wird Unternehmern der Aufbau eines „betrieblichen Gesundheitsmanagements“ angeboten und Werbung für einen Pflegeroboter „Willi“ gemacht, dessen Einsatz Senioren und Pflegekräfte entlasten soll. Zudem wird eine „Entlastung für Erben“ angeboten, um den Erbschaftsaufwand zu bewältigen – von der Haushaltsauflösung bis zum Immobilienverkauf. Besonders irritierend sind die Einträge für den Seniorenförderclub beim Bewertungsportal Provenexpert. Dort gibt es insgesamt fünf Bewertungen – alle mit der maximal positiven Bewertung in allen Kategorien – sowohl für Qualität, Nutzen, Leistungen, Ausführung und Beratung gibt es glattes „Sehr gut“. Sehr irritierend ist freilich, dass die fünf Belobigungen allesamt von Anfang August 2019 stammen – und sämtlich anonym sind.

Bei der Creditreform-Auskunft heißt es, der Seniorenförderclub sei „im Vereinsregister mit der Rechtsform Verein eingetragen. Das Unternehmen ist wirtschaftsaktiv. (…) Das Unternehmen wird derzeit von drei Managern geführt.“ Gemeint ist der vertretungsberechtigte Vorstand Uwe Grof, der sich selbst als „Networking-Experte und Visionär“ bezeichnet. Als weitere Qualifikationen nennt Grof „Schuldenberater“ und „Immobilien-Kaufmann“; auf der Plattform Linkedin bezeichnet er sich als „Vorstandsvorsitzender“ des „Seniorenförderclubs“ und Unternehmer. Genannt werden auf der Webseite des Förderclubs außerdem als „Chief Marketing Officer“ und für den „Inhalt Verantwortlicher“ Giovanna Spohde sowie Rüdiger Keil, der sich selbst als „CSO“ bezeichnet – „Chief Sales Officer“, umgangssprachlich: Vertriebsleiter.

Büros in der ganzen Republik. Der Seniorenförderclub verweist auf weitere Büros in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und in Fürstenfeldbruck bei München. Über die Fürstenfeldbrucker Telefonnummer des Vereins gelangt man erneut bei Giovanna Spohde, letztere firmiert nun als Inhaberin des Unternehmens „Tality“, einer „Full-Service Agentur mit umfassender Expertise aus den Bereichen Marketing, PR, Consulting, Event und Fundraising“. Rüdiger Keil ist bei Tality ebenfalls der Vertriebsleiter. Auf der Tality-Webseite wird wiederum auf den Seniorenförderclub Berlin verwiesen.

Was wirklich beim Seniorenförderclub passiert, bleibt eine Blackbox. Wie definiert sich hier die Gemeinnützigkeit? Wo könnten sich wohl die angeblich aktiven Ehrenamtlichen treffen? Wo sind die Fahrer des Flotten-Netzwerks? Wo finden sich „Engagierte, die Anrufe entgegennehmen, die Fahrt zum Impfzentrum vermitteln, Hilfesuchende zu ihren Terminen begleiten sowie bei der Ausfüllung der Formulare unterstützen“, wie der Verein auf der Webseite seine Aktivitäten beschreibt. Was passiert mit den Spenden, die „zur Unterstützung und langfristigen Realisierung“ mit dem Stichwort „Mobile-Flotte“ eingegangen sind?

Elke Fenster, die Geschäftsführerin der Stadtteilkoordination Moabit West, äußert sich skeptisch über den Verein. Die Erfahrungen seien negativ gewesen. So habe der Vereinsvorsitzende Uwe Grof etwa seine Dienste als „ehrenamtlich gesetzlicher Betreuer“ für alte und hilfebedürftige Menschen angeboten, obwohl dafür weder qualifiziert, noch wie gesetzlich festgelegt vom Bezirksamt und Gerichten beauftragt gewesen sei.

Verein gilt im Bezirk als nicht seriös. Letzteres habe die Rücksprache mit dem Bezirksamt ergeben. „Wir halten den Verein nicht für seriös“, sagt Elke Fenster. In Mitte wie auch im Bezirk Steglitz-Zehlendorf gehörte Grof der bezirklichen Sozialkommission an, deren Mitglieder zumeist hochbetagten Menschen im Namen des Bezirksamts zum Geburtstag Grüße überbringen. Das habe er genutzt, um mit den Senior:innen Vorsorgeverträge mit weitreichen Vermögensvollmachten abzuschließen, heißt es aus Steglitz-Zehlendorf. Als das bekannt wurde, habe das Bezirksamt zehn Senior:innen davon überzeugt, von diesen Verträgen wieder zurückzutreten. Auch den Kommissionen gehört er nicht mehr an.

Bei Uwe Grof immerhin schließt sich der Kreis am Sitz des Seniorenförderclubs in der Waldenser Straße 23 in Moabit. Hier hat neben dem Verein auch die Firma „Avatar Roboter Willi UG i.G.“ ihren Sitz – als Geschäftsführer wird auf der Webseite ebenfalls Uwe Grof genannt. Und noch ein Unternehmen, die Digital Health Consulting, residiert hier. Die Unternehmensleitung besteht aus Uwe Grof und Rüdiger Keil. Das Regionalbüro Rheinland-Pfalz der Digital Health Consulting hat übrigens die selbe Telefonnummer wie das Büro das dortigen Niederlassung des Seniorenförderclubs. Und auch Frau Spohde ist wieder mit an Bord.

Firmenschilder gibt es für keines der Unternehmen; auf dem Klingelbrett des Hauses findet sich lediglich ein „U. Grof“. Die Wohnung von Uwe Grof ist im Hinterhaus; der Aufgang hat schon bessere Zeiten erlebt. Auch an der Klingel keinerlei Hinweise – weder auf den gemeinnützigen Seniorenförderclub noch auf die anderen Unternehmen; gleiches gilt auch für den Briefkasten von Grof. Ach so: Auch die Firmen „Fitbringer UG“ und „Entlastung für Erben UG“ haben hier ihre Postadresse – jeweils mit Grof als Geschäftsführer. Muss ganz schön eng sein in der Wohnung. Kein Wunder, dass sich Grof angesichts dieses Firmengedrängels in seiner Wohnung beim Anruf nur mit seinem Namen meldet.

Beim Anruf gesteht Uwe Grof ein, dass die „mobile Flotte“, die für Spender beworben wird, „so nicht mehr im Einsatz ist“. Nun arbeitete man bei der Impf-Begleitung mit der Taxi-Innung zusammen. „Ich finde es eine Frechheit, uns Unseriosität vorzuwerfen. Das ist unglaublich. Wir arbeiten hier sieben Tage die Woche am Telefon und kriegen keinen Pfennig vom Senat für unsere aufwendige Arbeit“, empört sich Uwe Grof: „Es ist das Normalste der Welt, dass ein Verein von Spenden lebt.“ Und schließlich verweise das Gesundheitsamt die Senioren an den Verein, wenn es um die Beschaffung von Impftermine gehe.

Den Einwand, dass seine beiden Mit-Manager doch überhaupt nicht in Berlin sind, sondern von München aus agieren, bestätigt Grof erst nach Nachfrage und anfänglichem zögern. „Wo ist da das Problem?“, sagt Grof: „Das ist das Team von mir.“ Auf den Hinweis, dass Interessenten den Verein nicht finden könnten, weil es an der Vereinsadresse keinerlei Hinweise auf den Verein gibt, antwortet Grof nach kurzem Schweigen mit: „Das kann ich jetzt nicht nachvollziehen“. Er ergänzt dann, dass „das ja auch nicht notwendig oder erforderlich sein. “Dann beendet er das Gespräch, bevor man weitere Fragen stellen kann: „Im Übrigen ist das ein Unterstellungs-Interview mit Anschuldigungen, was mir überhaupt nicht passt.“

Reagiert hat Grof gleichwohl: Das aufploppende Herz, mit dem Spenden für die „Mobile Flotte“ eingeworben werden sollten, wurde kurz nach dem Telefonat von der Webseite genommen.

  • Der Text stammt aus dem aktuellen Newsletter „Ehrensache“ von meinem Kollegen Gerd Nowakowski. Jeden Monat erscheint der Newsletter mit Nachrichten rund um Ehrenamt und Engagement in Berlin. Hier kostenlos anmelden und die neueste Ausgabe erhalten: ehrensache.tagesspiegel.de