Namen & Neues

Ewige Baustelle in der Europacity

Veröffentlicht am 13.04.2022 von Julia Weiss

Der Otto-Weidt-Platz sollte der Stadtplatz in der Europacity werden, doch die Realität sieht anders aus. Seit Jahren ist dort eine riesige Baustelle. Mit Staub und Schmutz statt der versprochenen Grünflächen. Geschäfte stehen leer, es gibt Klagen über Einbrüche in Kellern und Hauseingängen. „Der Platz sollte eigentlich 2018 fertig sein“, sagt Jan Wedel, der von seine Wohnungen direkt auf die Baustelle sieht. „Doch manchmal passiert hier wochenlang gar nichts.“

Wedel ist einer von vielen verärgerten Anwohner:innen, die voller Hoffnung in das neue Quartier nördlich des Hauptbahnhofs gezogen waren. Seit 2009 entsteht hier ein Stadtviertel mit Wohnungen, Büros, Geschäften und Galerien. Eine Stadt in der Stadt. Doch von Anfang an gab es Kritik an der Planung. Beklagt wurden uniforme Gestaltung der Fassaden und ein Mangel an Urbanität. Der Architekt Jean-Philippe Vassal hatte die Europacity in einem taz-Artikel als „gebaute Leere“ bezeichnet. „Ohne Leben, ohne Identität.“

Die Sehnsucht nach einem Stadtplatz, auf dem Menschen sich auf der Parkbank oder im Café treffen können, ist groß. Doch der Bau des Otto-Weidt-Platzes verzögert sich, weil sich Granitblöcke für den Brunnen, der in die Mitte des Platzes soll, derzeit noch in China befinden. Das teilte die Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt auf Nachfrage mit. Auch bei Kunststoffrohren, Natursteinen, Stahlelementen komme es wegen der Pandemie zu Lieferengpässen. Und die Verlegung von Leitungen für Strom und Wasser sei aufwendiger als angenommen. „Die Fertigstellung des Platzes ist für Ende dieses Jahres geplant“, sagt Pressesprecherin Constanze Siedenburg.

Anwohner Jan Wedel hat schon viele solche Versprechen gehört. „Erst hieß es 2018, dann Ende vergangenen Jahres, dann Sommer 2022. Bisher hat nichts davon geklappt.“ Er und andere Anwohner:innen kritisieren, dass der komplette Platz eine Baustelle bleibt, bis der Brunnen aus China geliefert wird. „Wenn zumindest Grünflächen am Rand und Sitzgelegenheiten da wären, sähe es schon viel schöner aus“, sagt er.

Die Senatsverwaltung erklärt dazu, dass die Brunnenelemente mit schwerem Gerät gesetzt werden, so dass die Gesamtfläche erst im Anschluss fertiggestellt werden könne. „Sonst würden bereits bearbeitete Flächen durch die Brunnenarbeiten stark beschädigt oder wieder zerstört werden“, sagt Siedenburg.

Zumindest der Golda-Meir-Steg, der die Europacity über den Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal mit dem Ortsteil Mitte verbindet, ist mittlerweile fertiggestellt: drei Jahre zu spät und für horrende 9,55 Millionen Euro statt den ursprünglich geplanten 1,8 Millionen. Doch der Weg über die Fuß- und Fahrradbrücke sei immer noch alles andere als ideal, beschweren sich Anwohner:innen. Ein Asphaltweg mit Baugittern führt über die Baustelle zur Brücke. Nachts sei die spärlich beleuchtete Gegend ein Angstraum für Frauen.

Auch für Gewerbetreibende ist die Situation schwierig. Wegen der Dauerbaustelle sind die Geschäfte, die bereits eröffnet haben, schwer zu erreichen. Der Betreiber eines Supermarktes hat deshalb eine Petition gestartet, in der er die zeitnahe Eröffnung des Platzes fordert. „Der Otto-Weidt-Platz verkommt zu einer Bauruine“, heißt es darin.

246 Menschen haben die Petition unterschrieben. In 81 Kommentaren beschreiben Anwohner:innen ihren Ärger. „Ich habe über zwei  Jahre vor Ort gewohnt, und bin auch wegen der Bausituation mit meiner Familie aus der Europacity weggezogen“, schreibt ein Mann. „Als Anwohner lebt man in der Europacity in einer Dauerbaustelle“, schreibt ein anderer.

Jan Wedel will mit seiner Familie nicht mehr weg. Er mag die verkehrsberuhigten Straßen in der Europacity, die Nähe zur Kita und die Läden in den Nebenstraßen. Auch die Planung zum Otto-Weidt-Platz mit der geplanten Freitreppe zum Wasser und den großen Grünflächen gefällt ihm – wenn er denn endlich mal fertig wäre. „Die Europacity ist von der Idee her gut, nur an der Umsetzung hapert er“, sagt er. Bisher gebe es fast keine Treffpunkte, kein Kiezleben. „Im Moment macht hier jeder seins“, sagt Wedel.