Polizei
Polizeiliche Tages-Mittheilungen
Veröffentlicht am 20.10.2021 von Markus Hesselmann
Wer hier Polizeimeldungen redigiert, ist übrigens in guter Gesellschaft. Heinrich von Kleist hat in seinen 1810/1811 erschienenen „Berliner Abendblättern“ selbst die Polizeimeldungen bearbeitet, am 19. Oktober 1810 zum Beispiel:
- Ein Zimmergesell war vorgestern bei einem Bau in der Behrenstraße beschäftiget, mit einem seiner Kameraden einen Balken aus dem Hause zu tragen. Ein noch nicht ausgemittelter Fuhrmann fuhr mit seinem Wagen so heftig gegen den Balken, daß dieser den Zimmergesellen umwarf und auf der Stelle todtschlug.
- Auf dem Gensd’armen-Markt sind zweien Bauern einem Jeden eine ungestempelte Metze konfiszirt und 2 Rthlr. Strafe eingezogen worden.
- Auf dem Spittelmarkt hat eine Gärtnerin sich verbotwidrig über einen offenen Kohlentopf gesetzt, welcher in Beschlag genommen worden ist.
- Einem Bäcker ist für 6 Gr. zu leichtes Brod konfiszirt.
- Einem Schlächter eine unrichtige Waage. Die Schaale auf welcher das Fleisch gelegt wurde, war um 2 Loth schwerer, als die Schaale zu den Gewichten.
- An einem Haufen Torf, den ein hiesiger Einwohner von einem Schiffer gekauft hat, fehlten bei der Revision 26½ Kiepen, weshalb eine Untersuchung eingeleitet ist.
Kleist hat großen Wert auf „Polizeiliche Tages-Mittheilungen“ gelegt und dazu die täglichen „Polizei-Rapporte“ gesichtet und bearbeitet. Da dies womöglich in einer ansonsten eher kulturell orientierten Zeitung einige Leute irritiert hat, erklärte Kleist die publizistisch-kriminologischen Bemühungen in der vierten Ausgabe der Abendblätter vom 4. Oktober 1810 wie folgt:
- Die Polizeilichen Notizen, welche in den Abendblättern erscheinen, haben nicht bloß den Zweck, das Publikum zu unterhalten, und den natürlichen Wunsch, von den Tagesbegebenheiten authentisch unterrichtet zu werden, zu befriedigen. Der Zweck ist zugleich, die oft ganz entstellten Erzählungen über an sich gegründete Thatsachen und Ereignisse zu berichtigen, besonders aber das gutgesinnte Publikum aufzufordern, seine Bemühungen mit den Bemühungen der Polizei zu vereinigen, um gefährlichen Verbrechern auf die Spur zu kommen, und besorglichen Uebelthaten vorzubeugen. Wenn z. B. wie geschehen ist, bekannt gemacht wird, daß Brandbriefe und Brandmaterialien gefunden oder Verbrechen begangen worden, deren Urheber noch nicht entdeckt sind, so kann dabei nicht die Absicht sein, Besorgnisse bei dem Publiko zu erwecken, indem es sich auch ohne ausdrückliche Ermahnung von selbst versteht, daß von Seiten der Polizeibehörde alle Maasregeln genommen werden, sowohl das beabsichtigte Verbrechen zu verhüten, als den Urhebern auf die Spur zu kommen; sondern blos das Stadtgespräch zu berichtigen, welches aus einem solchen Brandbrief deren hundert macht, und ängstliche Gemüther ohne Noth mit Furcht und Schrecken erfüllt. Zugleich wird aber auch jeder redliche Einwohner darin eine Aufforderung finden, seine Wachsamkeit auf die Menschen und Ereignisse um ihn her zu verdoppeln, und alles was zur Entdeckung des Verbrechers führen könnte, dem nächsten Polizei-Offizianten auf das schleunigste anzuzeigen, damit das Pol.-Präsidium sogleich davon Nachricht erhalte, und seinen Maaßregeln zur Sicherung des Publici die Richtung geben könne.
Journalist Kleist hier also im Kampf gegen Fake-News und mit einem aufklärerischen, erzieherischen, fast schon aktivistischen Ansatz.
- Quelle: kleist-digital.de/berliner_abendblaetter
- Originalansichten hier und hier