Nachbarschaft
Veröffentlicht am 19.01.2018 von Laura Hofmann
Sie selbst nennt sich die „Saubermach-Tante vom Vinetaplatz“. Cecilia Stickler, 73, gebürtige Schwedin und Übersetzerin, lebt seit sechs Jahren im Brunnenviertel und räumt den Kiez auf. Für ihr Engagement hat sie 2016 den Umweltpreis Mitte bekommen. Mit Greifern und Tüten der BSR dreht sie fast jeden Tag ihre Runde.
Frau Stickler, Sie sammeln den Müll in Ihrer Nachbarschaft ein, in Berlin ein seltenes Bild. Warum machen Sie das? Er stört mich ganz einfach. Ich finde, dass ein Wohngebiet sehr schnell sozial abrutscht, wenn es „vermüllt“. Eigentlich freuen sich viele, wenn es sauber ist, aber selbst „Hand anlegen“ das ist wohl unter der Würde vieler. Aber ich denke nicht, dass ich meine Würde verliere, wenn ich meine „Runde“ drehe. Ich gehe meistens morgens, wenn alle noch schlafen – wenn man älter wird wacht man leider früher auf, vielleicht damit man mehr erleben kann? – und genieße die Ruhe und dass es nachher aufgeräumt ist.
Sie haben auch Mitstreiter gesucht. Wie kamen Sie auf die Idee, Müllpatenschaften für Ihren Stadtteil zu entwickeln? Und wie ist die Resonanz? Ach meine Müllpatenschaften? Das war am Anfang, als ich voller Optimismus andere für das Aufräumen engagieren wollte und Aktionen startete, wobei die wenigen die mitmachten, es wohl eher meinetwegen machten. Fand ich auch sehr nett… Nein, wenn ich ehrlich bin, Müllpatenschaften bin ich leider nicht losgeworden.
Auf Ihrem Blog schreiben Sie, dass Sie schon mal Probleme mit der Polizei hatten, als Sie ein heruntergefallenes Wahlplakat einsammeln wollen. Erzählen Sie mal! Das war eigentlich nur zum Lachen, wenn es nicht so ernst gewesen wäre. Die Plakate waren runtergefallen, von den Hunden fleißig angepinkelt worden und machten, fand ich, so keinen Sinn. Also sammelte ich sie ein und übersah die zwei Polizisten, die mir mit ernster Miene einen Vortrag über SACHBESCHÄDIGUNG hielten und ich entkam einer strengen Strafe nur mit dem Versprechen, SOFORT bei den beiden Parteien anzurufen und den entsetzlichen Schaden zu melden. Habe ich auch getan und ich glaube dass die Parteizentralen gedacht haben „Och, schon wieder so eine verrückte Rentnerin…“
Was ärgert Sie besonders in Ihrem Kiez, dem Brunnenviertel? Mich ärgert tatsächlich das „Müllverhalten“, dass man den Müll den man produziert, auch beim abendlichen Sitzen und Tratschen, einfach so fallen lässt und wenn ich diejenige/denjenigen darauf anspreche mit großer Empörung überschüttet werde. Ich? Niemals? Ob ich was gegen Ausländer hätte? (Bin selber eine…) Dass Leute zu faul sind, ihren Hausmüll in die Mülltonne zu entsorgen, sondern einfach ins Gebüsch legen – wo es dann von den Vögeln aufgepickt und über den Platz verteilt wird. Dass die Leute nachts ganze Wohnungseinrichtungen auf die Straße schleppen. Ich würde mir wünschen, wir könnten alle ein „Unser Kiez“-Gefühl entwickeln. Ansonsten wohne ich sehr gerne hier und es ist schön hier!
Foto: Eva Paulsen
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute@tagesspiegel.de