Nachbarschaft
Veröffentlicht am 06.04.2018 von Laura Hofmann

Elise und Otto Hampel, stille Helden gegen Hitler.
Die Geschichte des Widerstands im Dritten Reich wird meist als Geschichte der ritterlichen Helden oder wachsamen Intellektuellen erzählt. Was dabei oft übersehen wird, ist der Arbeiterwiderstand. Hans Fallada hat ihm jedoch schon 1947 ein Denkmal gesetzt: mit dem Roman „Jeder stirbt für sich allein“, der seit einigen Jahren wieder die Aufmerksamkeit erfährt, die ihm gebührt. Fallada stellt nicht die organisierte Sabotage in den Mittelpunkt, sondern den Widerstand in seiner privatesten Form: Die Quangels, Otto und Anna, ein älteres Ehepaar, schreiben Woche für Woche in ihrer Wohnung Protestpostkarten und legen sie in Hausfluren und Treppenhäusern ab – in der stoischen Hoffnung, damit das Nazi-Regime stürzen zu können.
Die historischen Spuren dieser Geschichte führen direkt in den Wedding. Denn Fallada hat sich auf den authentischen Fall der Eheleue Elise und Otto Hampel gestützt. Sie wohnten in der Amsterdamer Straße 10 und führten ein unauffälliges Leben, er Jahrgang 1897, Arbeiter bei Siemens, zwischenzeitlich „Stahlhelm“-Mitglied, sie Jahrgang 1903, aktiv in der NS-Frauenschaft. Doch als Elises Bruder im Frankreichfeldzug starb, wandten sie sich gegen die Nazi-Herrschaft – und begannen Karten zu schreiben und im Wedding, in Charlottenburg, Schöneberg und Kreuzberg zu verteilen: „Nieder mit der Hitler Regierung! Nieder mit dem Zwangs Elends Dicktat in unser Deutschland!“ Ihre Hoffnung ging nicht auf, die Karten landeten rasch bei Polizei und Gestapo. Doch es dauerte zwei Jahre, bis zum Oktober 1942, ehe die Hampels verraten und verhaftet wurden.
Fallada verlegte die Geschichte nach Prenzlauer Berg. Seine Quangels lebten in der Jablonskistraße. Das mag daran gelegen haben, dass die Anregung für den Roman – wie die Prozessakten – aus dem Ostsektor kam: von Johannes R. Becher, dem Präsidenten des Kulturbundes. Fallada hielt sich nur in groben Zügen an das historische Vorbild, wie Johannes Groschupf schon 2011 im Tagesspiegel erläuterte. In einem Punkt wich er ganz entscheidend davon ab: Während Anna und Otto Quangel sich auf dem Weg in den Tod näher waren als in vielen Jahrzehnten zuvor, zerbrachen die Hampels an Folter und Volksgerichtshof. In Gnadengesuchen beschuldigten sie sich gegenseitig. Ihr Urteil konnten sie nicht mehr abwenden. An diesem Sonntag, 8. April, ist es 75 Jahre her, dass Elise und Otto Hampel in Plötzensee hingerichtet wurden.
In der Amsterdamer Straße 10 erinnert seit dem 8. April 1989 eine Berliner Gedenktafel an diese stillen Helden gegen Hitler. Der Versuch der Bezirkspolitik, den Rathausvorplatz nach ihnen zu benennen, scheiterte Ende vergangenen Jahres an kläglichen Argumenten der Bürokratie. Mehr als ein Elise-und-Otto-Hampel-Weg war nicht drin. Immerhin: Im März hat das Bezirksamt bekanntgegeben, den Abschnitt der Limburger Straße, eigentlich ein Fußweg entlang des Rathausaltbaus, erfolgreich umbenannt zu haben. Ein entsprechendes Schild gibt es allerdings noch nicht.
Foto: Wikipedia
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