Nachbarschaft
Veröffentlicht am 27.04.2018 von Laura Hofmann
Stephan von Dassel (Grüne) ist Bürgermeister von Mitte.
Herr von Dassel, wie ist die Situation im Tiergarten, seitdem dort im vergangenen Herbst Obdachlosencamps geräumt wurden? Hat die Ende März aufgelöste Task Force sichtbare Erfolge erzielt? Es wurden mehrere Camps geräumt und wir haben dann nach der Vereinbarung in der Task Force sichergestellt, dass es auch keine weiteren Camps mehr gibt. Was die Task Force gebracht hat, ist, dass sich alle Bezirke und auch die Senatsinnenverwaltung und die Senatssozialverwaltung darauf verständigt haben, das wilde Campieren in Grünanlagen auf öffentlichen Plätzen nicht zuzulassen. Und wir stellen auch Ordnungswidrigkeiten fest und die Nationalitäten derjenigen, die diese begehen. Ob das alle Bezirke wirklich so konsequent machen wie wir, weiß ich nicht, aber die Verabredung dazu gibt es. Das hat uns jetzt schon einen Schritt weitergebracht, um die Situation vor Ort überhaupt analysieren zu können. Das Ordnungsamt kann aber nur als letztes Mittel tätig werden. Ungelöst ist nach wie vor die Frage, wie wir mit EU-Bürgerinnen und -Bürgern umgehen, die wild campieren, keine Wohnung haben, aber auch aus unserer Sicht nur sehr begrenzt Ansprüche auf Sozialhilfe.
Es gibt noch andere Orte im Bezirk, an denen Anwohner sich teilweise unwohl fühlen. Am Leopoldplatz haben Sie mal ein Alkoholverbot angeregt. Wie gehen Sie mit den Trinkern dort jetzt um? Und wann kommt ein neues Platzmanagement für den Leopoldplatz? Das Platzmanagement setzt seine Arbeit mit dem alten Träger, dem Verein für Drogenkranke Fixpunkt, aktuell auch schon fort und wir werden da mehr Mittel zur Verfügung stellen, damit das Angebot ausgeweitet werden kann. Im Moment ist nur noch die Aushandlung des Mietvertrags zwischen der dort ansässigen Kirchengemeinde und dem Bezirksamt offen. Wir wollen diese Liegenschaft anmieten, um dort auch ein zusätzliches Angebot für Suchtkranke anbieten zu können. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass die Trinkerszene, wenn sie sich an ihrem angestammten Platz aufhält, nicht das Problem ist. Das Problem ist wirklich die Drogenszene. Die Drogenverkäufer, die nach wie vor am Leopoldcenter stehen oder eben den vorderen Leopoldplatz beherrschen und gleichzeitig die öffentliche Toilette, die dort extra für die Trinkerszene eingerichtet worden ist, als Drogendeal-und –konsumraum missbrauchen. Harte Drogen sind im Moment also problematischer als der klassische Alkoholmissbrauch. Und auch unter diesen beiden Gruppen gibt es Konflikte.
Wie gehen Sie gegen diese Drogenszene vor? Das können wir eigentlich nur polizeilich machen. Gerade versuchen wir aber die Art der öffentlichen Toilette zu verändern, damit sie wirklich um 21 Uhr dichtmacht. Allein, sie so zu verschließen, dass sie nicht aufgebrochen werden kann, ist schon unglaublich komplex. Und wir wollen durch die Anbringung einer Hausordnung auch Anzeigen erstatten können, wenn sich mehr als eine Person in dieser Toilette aufhält. Man geht dort ja nicht zusammen Händewaschen, man missbraucht die Toilette als Drogendeal-und Drogenkonsumraum.
Die Landesdrogenbeauftragte gibt zu bedenken, dass eine Zersplitterung von Gruppen wie die der Trinker am Leopoldplatz dazu führen kann, dass sie noch weniger kontrolliert werden können. Andererseits sind solche Hot Spots für die Nachbarschaft oft eine Zumutung. Wie gehen Sie damit um? Das kommt immer darauf an. Am besten ist es natürlich, wenn man Lösungen und Hilfen anbietet, um die Probleme zu verringern. Wir sind ja ganz bewusst am Leopoldplatz nicht den Weg gegangen, die Trinkerszene in irgendwelche Nebenstraßen zu vertreiben, um einen sauberen und schönen Leopoldplatz zu haben. Sondern wir müssen wollen hier nach dem Motto „Ein Platz für alle“ eben auch für diese Gruppen einen Rückzugsraum bieten. Aber diese Menschen dürfen nicht den ganzen Leopoldplatz dominieren. Das ist immer eine Gratwanderung. Aber ich finde, Hilfen kann man viel leichter anbieten, wenn man sie einer Gruppe anbieten kann, weil man die Hilfen dann bündeln kann. Dann gibt es vielleicht ab und an auch einen Nachahm-Effekt: Der Eine nutzt mal ein Gesprächsangebot, der Zweite die Indoor-Möglichkeit. Wenn sich das alles so verteilt und immer wieder in einer anderen Straße ist, wird das schwierig.
Wird der im vergangenen Jahr getestete Platzdienst am Leopoldplatz verlängert? Ja, wir schreiben den Platzdienst gerade aus, weil wir festgestellt haben, dass es eine Lücke geben kann zwischen der Arbeit der Polizei, des Ordnungsamtes und der Sozialarbeitenden. Der Platzdienst weist auf freundliche, nicht sanktionierende, aber durchaus bestimmte Art auf Fehlnutzungen hin und sagt zum Beispiel: Sie dürfen hier den Abfall nicht hinwerfen, sie dürfen hier nicht hinpinkeln, bitte unterlassen sie das. Das funktioniert nicht bei allen, bei den Hardcore-Drogensüchtigen ist das schwer, aber bei vielen findet das erfreulicherweise schon Resonanz – ohne dass Strafen oder Platzverweise ausgesprochen werden. Das ist wirklich ein gutes ergänzendes Angebot und wenn wir jetzt bald mehr Personal im Ordnungsamt haben, werden wir den Platzdienst auch durch mehr Ordnungsamtsmitarbeiter ergänzen. Dann haben wir für alle Ausprägungen von Fehlverhalten immer sofort die adäquate Antwort: Polizei, Ordnungsamt, Platzdient oder Sozialarbeiter. Denn die Polizei wird natürlich nicht kommen, weil jemand mit Absicht die Bierdose neben den Mülleimer wirft.
Soll diese Strategie aus Ordnungsamt, Platzdienst und Sozialarbeit auch an anderen kriminalitätsbelasteten Orten wie dem Hansaplatz, der Kurfürstenstraße oder dem Kleinen Tiergarten angewandt werden? Der Kleine Tiergarten ist Teil des Aufgabengebietes des Trägers, gegebenenfalls weiten wir das Angebot auf den Hansaplatz aus. Die Probleme im Kiez Kurfürstenstraße liegen anders, dazu erarbeiten wir grade ein neues und anderes Konzept.
Foto: Mike Wolff
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute@tagesspiegel.de