Nachbarschaft
Veröffentlicht am 01.06.2018 von Laura Hofmann
Patrick Petzold, Mieter am Lützowufer und Teil der Bürgerinitiative Lützowufer 1-5.
Herr Petzold, wogegen wehren Sie sich? Wir Mieter wehren uns gegen eine rücksichtslose Bebauung unserer Hofanlage. Die Euroboden GmbH, die im letzten Jahr die Häuser und Grundstücke erworben hat, will im Hof einen Riegel bauen, der sich in der kompletten Länge des Geländes auf 5 Vollgeschosse erstreckt, und der so nah wie möglich an den Terrassen und Wintergärten der Bestandshäuser hochzieht. Damit würden nicht nur die Lebensbedingungen sehr vieler Familien extrem verschlechtert, sondern eine im Rahmen der IBA 1987 geschaffene Wohnanlage zerstört, die als Beispiel für einen behutsamen, ökologischen und sozialen verantwortlichen Neubau in der inneren Stadt konzipiert und errichtet wurde.
Berlin braucht Wohnraum, ohne Nachverdichtung wird es nicht gehen. Aber „not in your backyard“? Das Vorhaben stellt keine behutsame Nachverdichtung statt, die vielleicht möglich wäre. Dabei sollte aber mit den Freiflächen behutsam umgegangen werden, die zusammen mit unseren Häusern und dem dahinter liegenden Jugendzentrum Pumpe ein Ensemble bilden. Diese Flächen sind damals nicht ohne Grund unbebaut geblieben: Unsere Häuser stehen an einer stark befahrenen Hauptverbindungsstraße zwischen Ost und West, die im Mietspiegel so eingestuft wird wie die Einflugsschneise von Schönefeld. Die grüne Südseite ist ein notwendiger Gegenpol zum brutalen Vorderhaus, und der Licht- und Wärmeeinfall auf den Fassaden, der durch diese maximale Verdichtung verloren ginge, war damals Teil des Konzeptes der fünf Energiesparhäuser. Sie gehören unter Denkmalschutz, und zeugen von den damaligen Visionen und Standards in Sachen Energieeffizienz. Unseres Wissens prüft das Landesdenkmalamt die Unterschutzstellung dieser IBA-Wohnanlage auch.
„In our backyard“ sollen hochpreisige Wohnungen entstehen, die keinen Beitrag zur Lösung des sozialen Wohnungsproblems leisten. Hier geht es um maximale Bodenverwertung. Betongold, Wohnungen als Anlage, die unter Umständen weder genutzt noch zur Miete angeboten werden, wie man es auch am Beispiel Von-der-Heydt-Straße 1 sieht, bei uns gegenüber. Wohnraum für Berlin wird hier nicht geschaffen. Im Gegenteil, vielmehr droht die Gefahr, dass eine bunte, gut funktionierende Mieterschaft zerstört wird, und die Gentrifizierung, die im Lützowviertel bereits auf Hochtouren läuft, noch weiter vorangetrieben wird. Und das kann auch nicht der Wille der Politik eines rot-rot-grünen-Senats sein, der dringend benötigten Wohnraum schaffen will.
Welches Ergebnis brachte die Begehung des Ortes mit MdB Eva Högl und Bausenator Ephraim Gothe (beide SPD) am Donnerstag? Leider ist Herr Gothe nicht erschienen. Hier gab es wohl ein Missverständniss bei der Terminbestätigung. Wir werden versuchen, das so schnell wie möglich mit ihm nachzuholen. Frau Högl hat uns lange zugehört und viel Verständnis für unsere Position gezeigt. Wir sind jetzt in Kontakt und werden sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten.
Foto: Entwurf des Bauprojekts (Promo)
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute@tagesspiegel.de