Nachbarschaft

Veröffentlicht am 18.07.2018 von Laura Hofmann

Am kommenden Samstag, dem 21. Juli, wird um 11 Uhr auf dem Vorplatz des Rathauses Wedding eine Gedenkstele für die NS-Widerstandskämpfer Elise und Otto Hampel eingeweiht. Das Ehepaar, das in der Amsterdamer Straße in Wedding lebte, rief zwei Jahre lang mit handgeschriebenen Postkarten zum Sturz von Hitler auf, wurde schließlich verraten und 1943 in Plötzensee hingerichtet.

Mit der Enthüllung der Stele geht auch die Posse um die Namensgebung des Rathausvorplatzes in Wedding zu Ende. Eigentlich sollte der neu gestaltete Platz zwischen Schillerbibliothek und Rathaus Wedding nach den Hampels benannt werden, doch das Vorhaben scheiterte an der Bürokratie: Das Straßen-und Grünflächenamt von Mitte hatte eine Umbenennung im Oktober 2016 abgelehnt und sich damit de facto über den politischen Willen hinweggesetzt. Der Platz bleibt nun namenlos. Als Kompromiss wurde im April der Abschnitt der Limburger Straße zwischen Genter Straße und Müllerstraße, der als Fußgängerweg an der Rathauskantine vorbeiführt, nach dem Ehepaar benannt. Der 21. Juli 2018 wurde als Datum für die Einweihung der Stele ausgewählt, weil es der 125. Geburtstag des Schriftstellers Hans Fallada ist. Fallada hat den Roman „Jeder stirbt für sich allein“geschrieben, der an das Schicksal der Eheleute Hampel angelehnt ist.

Die Berliner Künstlerin Ingeborg Lockemann hat die Gedenkstele für Elise und Otto Hampel gestaltet.

Frau Lockemann, wann haben Sie das erste Mal von der Geschichte von Elise und Otto Hampel gehört? Vor längerer Zeit habe ich „Jeder stirbt für sich allein“ gelesen und gewusst, dass der Roman auf einem authentischen Schicksal basiert. Doch erst, als ich die Einladung für den Gestaltungswettbewerb erhielt, habe ich mich eingehender mit den Hampels beschäftigt und auch ihre Prozessakten, die sich im Bundesarchiv befinden, angesehen.

Auf der Stele steht der Aufruf: „Wacht auf! Wir müssen uns von der Hitlerei befreien!“

Was haben Sie als Motiv für die Stele ausgewählt und warum? Das Motiv ist ein kurzer Auszug aus einer ihrer Postkarten, an dem Form und Inhalt ihres Protestes erkennbar werden. Eindrücklich sind die Leidenschaftlichkeit der Ansprache, die Rauheit des Ausdrucks jenseits von Lehrbuchtexten und die eilig in eine Druckschrift gezwungene Schreibweise, die dazu dienen sollte, anonym zu bleiben. Die Hampels, die einfache Leute waren und aus der Arbeiterklasse stammten, entwickelten diese Form des Widerstands allein – auch ihre Wortschöpfungen und Ausdrucksweisen entsprangen nicht intellektuellen Diskursen, sondern ausschließlich ihrem persönlichen Bedürfnis, dem faschistischen System und dem Krieg etwas entgegenzusetzen.

Was erhoffen Sie sich durch das Kunstwerk im öffentlichen Raum, auf dem Rathausvorplatz in Wedding? Die zwei Sätze, die auf der Vorderseite der Stele zu lesen sind, scheinen wieder beunruhigend aktuell. Insofern sprechen die Hampels in unsere Gegenwart hinein und sollten gehört werden. Die Stele dient natürlich dem Gedenken an den Mut dieses Paares, das im Arbeiterbezirk Wedding wohnte, und an ihre besondere Form der Zivilcourage. Auf der Rückseite der Stele wird man deshalb dazu Genaueres lesen können.

Foto: Ingeborg Lockemann