Nachbarschaft

Veröffentlicht am 19.12.2018 von Laura Hofmann

Das Weinhaus Huth mit gleichnamigem Restaurant am Potsdamer Platz, dem Berliner Times Square der Zwanziger Jahre, war jahrzehntelang der Treffpunkt der Berliner Gesellschaft. An diese Tradition möchte Ralf Rüller jetzt anknüpfen: Dem Inhaber der bewusst hochpreisigen Kaffee-Rösterei „The Barn“ ist es gelungen, nach dem Café Kranzler in der City West eine weitere für die Berliner Geschichte so wichtige Lokalität als Standort für sein Café-Konzept zu gewinnen.

Erst im Oktober eröffnete das für hochwertige Kaffee- und Espressospezialitäten bekannte „The Barn“ eine Dependance in der Nähe des Maybachufers in Neukölln. Kurz vor Weihnachten, am Samstag, den 22. Dezember, feiert nun die fünfte Filiale Eröffnung: im Traditionshaus an der Alten Potsdamer Straße 5, benannt nach seinem ehemaligen Inhaber Willy Huth und bekannt als „das letzte Haus am Potsdamer Platz“.

Rüller, 48 Jahre, stets mit Käppi unterwegs, hat 2010 sein erstes Café in der Auguststraße in Mitte eröffnet. Heute beschäftigt er mehr als 60 Mitarbeiter. Und ist erstmalig als deutscher Kaffeespezialist Preisträger des renommierten „Best Independent European Coffeeshop“-Awards. In die Schlagzeilen geriet er aber, weil er 2016 einer Mutter das Stillen ihres Babys im Schaufenster seines Ladens in Prenzlauer Berg untersagte. Und kurzerhand Poller vor dem Café installierte, um Kinderwagen den Zutritt zu verwehren.

Am Potsdamer Platz werden wohl vor allem die Angestellten aus den umliegenden Büros zu seinen Kunden zählen. Im Sortiment stehen deshalb auch leichte Lunch-Optionen. Außerdem: handgebrühte Filterkaffees, Single Origin Espressi und saisonale „Signature Drinks“ wie der Rote Bete Flat White oder der Roiboos Espresso Coffee. Als Highlight auf der neuen Karte kündigt Rüller Kaffee-Cocktails an, die aus einer Kollaboration mit dem Freimeisterkollektiv, einer Verbindung unabhängiger Berliner Kleinbrenner und führender Bartender, hervorgehen. Die Naturweine kommen von Viniculture aus Charlottenburg. Und aus der eigenen Backstube werden täglich frisch hausgemachte Kuchen und Stullen geliefert.

„Die Auseinandersetzung mit Kaffee ist der Tätigkeit eines Sommeliers sehr ähnlich“, sagt Rüller. „Insofern tragen wir die Tradition des Gebäudes quasi weiter.“ Nach der Einweihung des Hauses am 2. Oktober 1912 befand sich im Erdgeschoss des Hauses die Weinhandlung und im ersten Stockwerk ein dazugehöriges Weinrestaurant und Veranstaltungslokal. Das Weinhaus Huth gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den wenigen weitgehend erhaltenen Gebäuden in der Umgebung. Was an der Stahlskelett-Konstruktion, eine der frühesten in Berlin, lag. Wegen der zu erwartenden Belastung durch das (Wein-)flaschenlager hatten sich die Architekten dafür entschieden.

Nach dem Mauerbau 1961, als der Potsdamer Platz durch die Berliner Mauer geteilt wurde, geriet die Umgebung des Hauses plötzlich ins Abseits der städtischen Entwicklung. Bis Mitte der 70-er Jahre wurden nahezu alle übrig gebliebenen Gebäude abgerissen. 1967 bis 1989, nach Willy Huths Tod, wurde das Haus an den damaligen Bezirk Tiergarten verkauft und mehrere Sozialwohnungen eingerichtet. Nach dem Mauerfall, im Jahr 1990, erwarb die Daimler-Benz-AG das Haus und bezog es in die Entwicklung ihres Gebäudeensembles an diesem Ort mit ein. Es folgten Residenzen des Berliner Traditionsrestaurants Lutter & Wegner, ebenfalls mit Weinhandlung, sowie des Restaurants Josef Diekmann und des Café Möhring.

Die Kraft des Gebäudes soll das Interior-Konzept des neuen Cafés wiederspiegeln. Der massive Tresen ist aus geflammtem italienischen Granit gefertigt. Die Wände sind roh verputzt und der unbehandelte Boden soll den Gästen eine Referenz zur Purheit des Produktes Kaffee geben. Eine freischwebende 12 Zentimeter dicke Sitzbank aus Eiche zieht sich entlang der geschwungenen Wand. Bei den bequemen Sitzmöbeln setzt Rüller auf Designklassiker von Charles Eames. Er will, dass „The Barn“ ein Ort der Begegnung und der Entschleunigung ist. „Wir wollen Barrieren senken, denn Geschmack geht schließlich durch alle Altersklassen und Schichten“, sagt er.

Foto: Kai-Uwe Heinrich

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