Nachbarschaft
Veröffentlicht am 27.11.2019 von Julia Weiss

Den ersten Käse für seinen Feinkost-Handel hat Mosé Sanna im Wohnmobil von Italien nach Deutschland gefahren. Seit 13 Jahren verkauft der Italiener Spezialitäten aus seiner Heimat Sardinien an Restaurants und Bio-Läden in Berlin. Dafür hat er ein Lager auf dem Berliner Großmarkt am Westhafen gemietet. Doch nun hat ihm das landeseigene Unternehmen den Vertrag gekündigt. Das stellt den 58-Jährigen vor große Probleme.
Hintergrund ist ein Streit mit der Geschäftsführung der Großmarkthalle. Die wirft Sanna in einem Kündigungsschreiben vom 14. November 2018 vor, er habe mit nicht zugelassenen Waren gehandelt. Das bestreitet Sanna. Er habe lediglich einem Freund, der sein Gemüse sonst im Freien sortieren muss, erlaubt, einen leeren Raum in seinem Lager zu benutzen. Geld habe er dafür nicht genommen. Laut Großmarkthalle sei das aber ein Verstoß gegen eine Regel, die Obst und Gemüse in eben jener Halle grundsätzlich verbietet.
Als Sanna davon erfuhr, habe sein Bekannter den Raum sofort geräumt. Die Kündigung konnte er trotz mehrfachem Bitten nicht abwenden. So schildert es Sanna. Mittlerweile ist sein Mietvertrag auch regulär abgelaufen. Am 17. Januar muss er sein Lager geräumt haben. Der Berliner Großmarkt wollte sich auf Nachfrage des Tagesspiegels nicht äußern.
Auf dem Großmarkt gehört Sanna zu den kleinen Händlern. Fünf Angestellte arbeiten hier. In der Feinkosthandlung stapeln sich Mehlsäcke und Tomaten in Dosen auf 225 Quadratmetern Lagerfläche. In einem Kühlraum hängen Salami von der Decke. Der Büffelmozzarella kühlt bei 12 Grad. „Das ist die beste Temperatur für Mozzarella“, sagt Sanna. Seinen Laden hier aufzugeben, schmerzt ihn. 13 Jahre lang habe er hart dafür gearbeitet. Die erste Zeit sei schwierig gewesen. Doch mittlerweile laufe es gut. „Jetzt wo ich die Früchte meiner Arbeit ernten könnte, muss ich raus.“
Ein neues Lager würde Sanne sehr viel Geld kosten. Die Miete in der Berliner Großmarkthalle, einem landeseigenem Unternehmen, ist günstig. Ein neues Lager hat der Händler zwar in Aussicht, die Miete wäre aber doppelt so teuer und für die Einrichtung der Kühlräume müsste Sanna einen Kredit zwischen 50.000 und 100.000 Euro aufnehmen. „Ich weiß nicht, ob sich das in meinem Alter noch lohnt“, sagt der 58-Jährige.
Anders als für Wohnungen gibt es in Berlin für Gewerbe keinen starken Mieterschutz. Verträge werden für einige Jahre abgeschlossen. Danach kann der Vermieter frei entscheiden, zu welchen Konditionen er weiter- oder neu vermieten will. Immer mehr Gewerbetreibende leiden unter den steigenden Mieten in Berlin und sind von Verdrängung aus beliebten Vierteln und Stadtteilen bedroht.
Haben Sie ein Lager oder wertvolle Tipps für Mosé Sanna? Dann melden Sie sich gerne per Mail bei ihm: ilgermano.de@googlemail.com
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute@tagesspiegel.de