Nachbarschaft

Veröffentlicht am 18.03.2020 von Julia Weiss

„Eine Geburt lässt sich nicht absagen“, sagt Vanessa Sepke. Sie arbeitet als Hebamme in Mitte und Prenzlauer Berg. Die Ausbreitung des Cornavirus verunsichert werdende Mütter. Im Interview erzählt sie, wie sich ihr Job verändert hat, wo sich Schwangere informieren können und wieso die Ausbreitung des Coronavirus zur Belastungsprobe für die ohnehin schon unterbesetzten Geburtsstationen werden könnte.

Frau Sepke, wie hat sich ihr Job durch den Ausbruch des Coronavirus verändert? Die Situation ist schwierig, weil es noch kein gesichertes Wissen über das Coronavirus gibt. Es wird aber davon ausgegangen, dass Schwangere nicht stärker gefährdet sind als andere. Sie haben allgemein ein stabiles Immunsystem und gehören nicht zur Risikogruppe. Die Hände gründlich waschen und ggf. zu desinfizieren, ist jetzt besonders wichtig. Auch soziale Kontakte sollten minimiert werden. Bei einem Besuch der Schwangeren oder Wöchnerin versuche ich, nicht notwendigen Körperkontakt zu vermeiden.

Ist das nicht schwierig in Ihrem Beruf? Ja, das ist schwierig, weil gerade im Wochenbett viele körperliche Untersuchungen vorgenommen werden. Entscheidend ist aber vor allem, als Hebamme für die Frauen da zu sein, ihnen zuzuhören, ihre Fragen zu beantworten und sich persönlich ein Bild vor Ort zu machen. Vieles kann besprochen werden und bei Einhaltung der Hygienestandards können auch notwendige körperliche Untersuchungen vorgenommen werden. Ein Neugeborenes muss schließlich trotzdem gewogen werden.

Viele Schwangere sind verunsichert. Welche Sorgen haben die Frauen? Es ist noch nicht ganz klar, ob sich das Virus auf das ungeborene Baby übertragen kann. Obwohl es dafür bisher keine Hinweise gibt, verunsichert das viele. Schwangere Frauen und Wöchnerinnen neigen dazu, viel zu googeln. Im Internet gibt es gerade unglaublich viele Nachrichten. Es ist nicht leicht, seriöse Quellen von unseriösen zu unterscheiden. Der Berliner Hebammenverband empfiehlt daher beispielsweise die Informationen der Unicef und des Verbands der Stillberaterinnen Österreichs.

Was ändert sich durch das Coronavirus in den Geburtstationen der Krankenhäuser? Ich wollte heute eine Frau und ihr Baby in der Charité besuchen. Das ging nicht, weil dort nur noch ein Besucher am Tag erlaubt ist. Das ist dann meistens der Vater. So soll die Ansteckungsgefahr minimiert werden. Zum Problem kann die Epidemie werden, wenn es zu mehr Krankheitsfällen beim Personal kommt. Die Kreißsäle arbeiten jetzt schon an der Belastungsgrenze. Eine Geburt lässt sich nicht absagen.

Es gibt zu wenige Hebammen in Deutschland – woran liegt das? Wir tragen eine große Verantwortung, werden dafür aber sehr schlecht bezahlt. Meistens arbeiten wir an sieben Tage die Woche. Weil die Kliniken überlastet sind, werden Frauen früh nach der Geburt entlassen. Das hat zur Folge, dass wir viele Aufgaben bei der Nachsorge übernehmen. Wir besuchen die Frauen zuhause und tragen Verantwortung für zwei Menschen – die Mutter und das Baby. Ich bekomme wirklich sehr viele Anfragen von Schwangeren, die eine Hebamme suchen. Wir brauchen mehr und noch besser ausgebildete Hebammen in Deutschland. Dass es jetzt einen Studiengang gibt, ist ein wichtiger Schritt. Aber die finanzielle Wertschätzung ist immer noch gering.

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: leute@tagesspiegel.de