Nachbarschaft

Veröffentlicht am 10.06.2020 von Julia Weiss

Rassismus ist etwas, was sie alltäglich erlebt und mitbekommt: Karen Taylor arbeitet bei „Each One Teach One“ (EOTO) in Wedding. Der Verein sammelt Vorfälle von Rassismus durch die Polizei in einer Statistik und bietet Beratung an. „Auch hier in Berlin ist Racial Profiling Alltag“, sagt sie. Karen Taylor hat mir erzählt, wie sie die gewaltsame Tötung des Afroamerikaners George Floyd in den USA verfolgt hat und was sie sich nun wünscht.

„Als ich das Video von Georg Floyds Tod gesehen habe, war ich schockiert. Nicht wegen der Tat, das ist ja leider nichts Neues. Sondern weil man den Mann von seinen ersten Worten ,I can’t breathe‘ bis zu seinem letzten Atemzug sterben sieht. Schwarze* Organisationen und Bewegungen weisen schon lange auf diese Taten hin – ich frage mich, wieso es für die notwendige Aufmerksamkeit erst ein solches Video brauchte.

Rassistisch motivierte Polizeigewalt passiert nicht nur in den USA, auch hier in Berlin ist Racial Profiling Alltag. Wir von ,Each One Teach One‘, einem Verein für Schwarzes Empowerment in Wedding, sammeln solche Vorfälle. Gerade jetzt während des Corona-Lockdowns hat sich wieder gezeigt, dass Schwarze Menschen viel öfter grundlos kontrolliert wurden. Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen mit Rassismus und den Erfahrungen der Schwarzen Communities auseinandersetzen. Dass nun nach George Floyds Tod auch viele weiße Menschen auf die Straße gehen, ist unglaublich wichtig. Es zeigt uns, dass wir nicht alleine sind.

Trotzdem nehme ich es auch als Trend wahr. Es ist gerade cool, Schwarze Kacheln auf Instagram zu posten. Doch wie viele beschäftigen sich wirklich mit den Lebensrealitäten und Rassismuserfahrungen Schwarzer Menschen? Bücher wie ,Deutschland Schwarz Weiß‘ von Noah Sow oder ,Exit Racism‘ von Tupoka Ogette können hier aufklären.

Weiße Menschen haben den Luxus, sich nicht mit dem Thema Rassismus beschäftigen zu müssen, weil es sie nicht betrifft. Viele hören es auch nicht gerne, weil sie lieber glauben, dass sie ihre Ziele im Leben durch eigene Leistung erreicht haben und nicht durch ihre weißen Privilegien. Sie sollten sich aber bewusst machen, dass dasselbe für Schwarze Menschen viel schwieriger ist. Auf die Straße gehen und sich zu empören reicht also nicht. Die weiße Zivilgesellschaft muss unsere Forderungen zu ihren Forderungen machen.

Aktuell können uns weiße Organisationen dabei unterstützen, dass der von Merkel errichtete Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus auch Anti-Schwarzen Rassismus thematisiert. Bislang stehen Schwarze Menschen nämlich noch nicht auf der Agenda.“

*Karen Taylor schreibt Schwarz groß, da es sich hier nicht um das Adjektiv, sondern um eine Selbstbezeichnung handelt.

Foto: Julia Zimmermann

Wer Each One Teach One (EOTO) finanziell unterstützen möchte, findet hier weitere Infos und eine Spendenseite. Gegründet hatte sich der Verein 2014 mit der Eröffnung des Vera-Heyer-Archivs in Wedding, einer Bibliothek mit Werken Afrikanischer, Afrodiasporischer und Schwarzer Autor*innen. Die Afro-Deutsche Aktivistin Vera Heyer hatte sich vor ihrem Tod gewünscht, ihre Sammlung von Literatur, Zeitschriften und Zeitdokumenten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seitdem wurde die Bibliothek erweitert und zum Ausgangspunkt vieler Aktivitäten, mit denen der Verein Schwarze Menschen empowert. – Text: Julia Weiss

Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Mitte. Die Tagesspiegel-Newsletter gibt es Bezirk für Bezirk und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de
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  • Debatte um Polizeigewalt bei Demo gegen Rassismus in Mitte
  • „All Cops are beautiful“: Kritik an Social-Media-Kampagne der Junge Union Mitte
  • Hamburger Bahnhof eröffnet am 14. Juni wieder
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