Nachbarschaft
Veröffentlicht am 13.01.2021 von Julia Weiss

Michael Hoffmann führt ein Bestattungsunternehmen in der Potsdamer Straße in Tiergarten. Sein Beruf hat sich durch die Pandemie stark verändert. Im Interview spricht er über Infektionsgefahr und Trauer in Corona-Zeiten.
Herr Hoffmann, wie hat sich Ihre Arbeit durch Corona verändert? Wenn wir die an Corona Verstorbenen im Krankenhaus abholen, sind sie in schwarze, luftdichte Infektionsschutzhüllen eingepackt. Da drin bleiben sie, damit wir bloß nicht mit ihnen in Berührung kommen. Wir hüllen sie zusätzlich in ein mit Desinfektionsmittel getränktes Tuch. Die Toten werden von uns nicht wie sonst geschminkt oder angezogen. Für die Angehörigen ist das schlimm, weil sie sie nicht nochmal sehen und sich verabschieden können.
In Sachsen sind Krematorien bereits überfüllt, Bestatter arbeiten am Limit. Wie ist das bei Ihnen? Wir hatten auf das gesamte letzte Jahr gesehen nicht unbedingt mehr zu tun. Verteilt auf alle Bestatter in Berlin fielen die Corona-Toten noch nicht so sehr auf. Aber mittlerweile drängen die Krankenhäuser darauf, dass wir die Verstorbenen schnell abholen, weil sie keinen Platz mehr haben. Im November und Dezember hatten wir bereits 50 Prozent Corona positiv Verstorbene. Das waren nicht nur alte Menschen – ihr Alter ging von 35 Jahren bis über 80.
Es gibt in Berlin also noch keinen Stau in den Krematorien? Wir haben von Berliner und Umland-Krematorien noch nicht gehört, dass nicht eingeäschert werden kann. Es ist momentan nur schwierig, die dafür nötigen Dokumente vom Standesamt zu bekommen, weil die nicht normal besetzt sind. Das dauert zwei bis fünf Tage.
Wie groß ist die Ansteckungsgefahr für Sie und Ihre Mitarbeiter? Meine Mitarbeiter tragen eine FFP2-Maske, die sie nach jeder Benutzung wegwerfen, außerdem eine Schürze und Handschuhe. Bisher konnte mir noch kein Pathologe erklären, wie lange die Toten ansteckend sind. Das weiß man wohl nicht genau. Wenn wir die Verstorbenen aus dem Krankenhaus abholen, ist das Ansteckungsrisiko in der Regel gering, weil sie schon in die luftdichte Schutzhüllen gelegt wurden. Schwieriger ist es bei Haussterbefällen, wenn ein Bereitschaftsarzt die Leichenschau vornimmt. Hier sollte zur Sicherheit aller ein Corona-Schnelltest gemacht werden.
Was kosten die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen? Für die erforderlichen Schutzmaßnahmen berechnen die Kollegen und auch wir eine Gebühr, die leider die Angehörigen tragen müssen.
Wie haben sich die Bestattungen in Corona-Zeiten verändert? Die Trauerfeiern dürfen nur in kleinem Kreis stattfinden. Wie viele Menschen teilnehmen dürfen, bestimmen die Friedhöfe. Es gibt Kapellen, in die nur sechs Menschen mit genügend Abstand passen, in andere mehr. Ein sehr großer Teil der Corona-Toten wird eingeäschert. Der Vorteil ist, dass die Urnen-Beisetzung dann erst in einigen Monaten stattfinden kann – in der Hoffnung, dass die Auflagen dann weniger streng sind.
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
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