Nachbarschaft

Veröffentlicht am 10.02.2021 von Julia Weiss

Die Corona-Krise gefährdet weiterhin das Überleben der „Berliner Unterwelten“. Der gemeinnützige Verein bietet Führungen zu unterirdischen Wegen, Nazi-Bunkern oder DDR-Fluchttunneln an und kümmert sich um die Instandhaltung der historischen Stätten. „Bis Ende Februar sind wir finanziert, dann wird es wieder knapp“, sagt der Vorsitzende Dietmar Arnold.

Im Herbst stand der Verein bereits kurz vor der Insolvenz. Im Jahr 2019 hatten noch über 350.000 Menschen an den Führungen teilgenommen. Doch mit Beginn der Corona-Krise mussten alle Touren an den insgesamt zehn Standorten eingestellt werden. Im Sommer konnten sie zwar unter Auflagen stattfinden, jedoch fehlten die Touristen und aufgrund der Hygieneauflagen durften nur 15 statt 30 Menschen teilnehmen.

Die „Berliner Unterwelten“ kommen in normalen Zeiten ohne staatliche Förderung aus und finanzieren sich durch Eintrittsgelder – die fielen wegen Corona zu großen Teilen weg. „Im Herbst standen wir dann vor dem Aus“, sagt Arnold. Die Überbrückungshilfe des Senats und die Novemberhilfen der Bundesregierung hätten den Verein gerettet. 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien momentan in Kurzarbeit. Arnold selbst ist nun die meiste Zeit damit beschäftigt, die Krise zu verwalten – er stellt Anträge und rechnet, wie lange das Geld noch reicht.

Die laufenden Kosten belasten den Verein. Einige Vermieter kamen ihnen entgegen. Andere nicht: Zum Beispiel die Eigentümer des Kreuzberger Fichtebunkers, Berlins ältesten Gasometers, auf dessen Dach sich Luxuswohnungen befinden. Damit die „Berliner Unterwelten“ dort Führungen anbieten können, zahlen sie laut Arnolds eine hohe Miete. In einem Spendenaufruf hatten sie um Hilfe gebeten. 70.000 Euro kamen zusammen. Doch die wurden dem Verein letztendlich von den staatlichen Hilfen abgezogen. Das ärgert den Vorsitzenden.

Auch 800.000 Euro, die der Verein eigentlich für Ausstellungen und neue Projekte gespart hatte, verbrannten im ersten Lockdown. Aufgrund dieser Rücklagen bekam der Verein im Frühjahr gar keine staatlichen Hilfen. „Wir wurden fürs Sparen bestraft“, sagt der Vorsitzende. Als gemeinnütziger Verein erwirtschaften die Unterwelten keinen Gewinn.

Wie geht es nun weiter? „Die Dezemberhilfen des Bundes sind bereits beantragt. Die retten uns hoffentlich bis März, Anfang April, bis wir wieder öffnen können“, sagt Dietmar Arnold. Die unterirdischen Anlagen bleiben bis dahin geschlossen. Ab und zu steigt ein Mitarbeiter hinab, um die Wasserhähne aufzudrehen, damit die Leitungen intakt bleiben.

Gäbe es die Berliner Unterwelten nicht mehr, würden die unterirdischen Anlagen in die alleinige Verantwortung der unterschiedlichen Eigentümer:innen übergehen. „Wenn die sich nicht um die Anlagen kümmern, vergammeln sie“, sagt Arnold. – Foto: Doris Spiekermann-Klaas

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