Nachbarschaft
Veröffentlicht am 25.09.2024 von Julia Weiss

Leonie Herwegs Liebe zum Hansaplatz begann mit den Besuchen bei ihrem Großonkel Klaus. Als junges Mädchen, das in der Schweiz aufgewachsen und danach viel unterwegs war, kam sie in seine Wohnung und merkte, dass hier im Hansaviertel etwas anders war. Schon das Hochhaus mit den roten Streifen auf der Fassade war besonders. „Für mich war klar: Wenn ich irgendwo in Berlin wohnen möchte, dann nur hier“, sagt sie.
Das Hansaviertel ist für seine modernistische Architektur aus den 50er-Jahren berühmt. Heute lebt Leonie Herweg in einem der Häuser und führt die Galerie „Grotto“, die den Hansaplatz neuerdings zum Ziel für hippe Kunstliebhaber macht. Doch die Galerie soll nicht exklusiv sein, sagt sie, sondern „ein Ort für zeitgenössische Kunst, wo die Nachbarschaft zusammenkommen kann“.
Als junger Mensch habe sie schnell gemerkt, dass die Planung aus den 50er-Jahr zwar spannend, aber nicht unbedingt zeitgemäß ist. So sei zum Beispiel die Einkaufspassage für Einzelhändler konzipiert. Früher gab es hier Butter Lindner und einen Briefmarkenhändler. „Heute gehen die Menschen zu Rewe City und die kleinen Läden bleiben oft leer“, sagt Herweg. Deswegen brauche es neue Ideen.
Die Galerie „Grotto“ befindet sich in einem Raum hinter einem großen Fenster in der Einkaufspassage. Man muss nicht eintreten, um die Kunst sehen zu können. Die Ausstellungen beziehen oft die Umgebung ein. Zur Eröffnung im Januar bespielte der Künstler Stefan Marx die Werbeflächen in der U-Bahnstation mit riesigen, schwarz-weißen Schriftplakaten. „Gute Nacht“, stand da. Oder: „Every Winter Every Summer“.
Für den Hansaplatz ist das ein Gewinn. Denn der gilt trotz seiner berühmten Architektur als Problemplatz. Die Drogenszene aus dem angrenzenden Tiergarten breitet sich aus, nachts kann die Einkaufspassage zum Angstraum werden. Bei den Menschen aus der Nachbarschaft komme die Galerie deshalb gut an, sagt Herweg. Sie selbst ist im Bürgerverein aktiv.
Bei einer 24-stündigen Performance im Sommer stand eine Softeismaschine in der Galerie. Jede Stunde fand eine andere Performance von unterschiedlichen Künstler:innen statt, die dazu Eis ausgaben. Das Ziel: Menschen in die Galerie holen, die vielleicht sonst nicht kommen würden. „Morgens waren nur die Hardcore-Kunstfans da, nachmittags kamen Familien mit Kindern“, sagt Herweg. Auch ein Security-Mann habe vorbeigeschaut und ein Uber-Fahrer. „Es ist schön, wenn kunstaffine und nicht kunstaffine Menschen zusammenkommen.“