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von Madlen Haarbach
Veröffentlicht am 15.08.2018
„Neukölln präsentiert sich jetzt auch online barrierefrei“, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung aus dem Bezirksamt. Gemeint ist die sogenannte Leichte Sprache, die nun auch auf der Webseite des Bezirksamtes zu finden ist.
Wie das aussieht? Da wird etwa erklärt, was ein Bezirksstadtrat ist: „Stadt-Räte arbeiten im Bezirksamt. Sie leiten die Abteilungen und planen alle Aufgaben. Sie sind die Fach-Leute für politische Aufgaben. Zum Beispiel bei politischen Entscheidungen für den Bezirk.“
Die Maßnahme soll Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen Probleme mit dem Leseverständnis haben, der Zugang zu Informationen aus dem Bezirk erleichtern. Das kann sowohl funktionale Analphabet*innen, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen als auch Menschen mit geringen Deutschkenntnissen betreffen. Neben Treptow-Köpenick und Friedrichshain-Kreuzberg ist Neukölln der dritte Bezirk, der auf sprachliche Inklusion setzt.
Aber halt, Neukölln ist jetzt „auch online barriefrei“? Das hieße ja, dass Neukölln in vielen weiteren Bereichen bereits barrierefrei sein sollte. Doch da gibt es hohe Bordsteine, Kopfsteinpflaster, unebene Fußwege und die unerlässlichen falschgeparkten Autos, die gerne mal den Weg versperren.
Kurz nachgefragt im Bezirksamt: Wie barrierefrei ist Neukölln wirklich? „Bei allen Bauvorhaben im öffentlichen Raum findet die Barrierefreiheit selbstverständlich Berücksichtigung“, sagt Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD). Dies betreffe etwa die Sanierung von Gehwegen und Absenkungen von Bordsteinen und sei der „guten abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit geschuldet.“ Die Bezirksbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Katharina Smaldino, werde bei Bauvorhaben stets einbezogen. Außerdem arbeite der Bezirk unter anderem mit Vereinen wie dem Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein (ABSV) zusammen. „Im Bezirk wird nicht über Barrierefreiheit diskutiert, sondern es wird gehandelt“, schlussfolgert Hikel.
Bürger*innen können Einschränkungen der Barrierefreiheit an die E-Mailadresse barrierefrei@bezirksamt-neukoelln.de melden. Seit Freischaltung der Mailadresse seien 43 Wünsche auf Bordsteinabsenkung gemeldet worden, erklärt Hikel. Diese Liste werde abgearbeitet, mehr als die Hälfte sei bereits erledigt. Parallel würden in einigen Neuköllner Quartieren Inklusionsmaßnahmen durchgeführt, etwa Rampen an Gewerbetreibende verteilt. Der Bezirk könne jedoch nur dort tätig werden, wo Probleme bekannt seien, erklärt der Bezirksbürgermeister. Daher sei man auf die Hinweise der Bürger*innen angewiesen.
Schwierig sei aktuell etwa die Ausstattung von U-Bahnhöfen mit Fahrstühlen, für die die BVG zuständig sei. Aktuell werden an den Bahnhöfen Grenzallee, Zwickauer Damm und Karl-Marx-Straße Aufzüge installiert – für deren einwandfreies Funktionieren ist jedoch wiederum die BVG zuständig, der Bezirk könne dies nicht garantieren, betont Hikel. Parallel bemängelt er, dass die BVG auch mehr barrierefreie Busse einsetzen könne. „Auch die Rücksichtnahme einiger Gewerbetreibender in manchen Straßenzügen könnte besser sein, denn es gibt oft kaum ein Durchkommen für älteren Menschen mit Rollator, Rollstuhlfahrern oder Eltern mit Kinderwagen“, sagt Hikel. „Aber auch hier wird bereits versucht die betroffenen Gewerbebetreibende durch Projekte zu sensibilisieren.“
Wo sehen Sie noch Nachholbedarf in punkto Barrierefreiheit? Schreiben Sie mir gerne oder wenden Sie sich direkt ans Bezirksamt unter der erwähnten E-Mailadresse.
Madlen Haarbach ist freie Autorin beim Tagesspiegel. Sie freut sich über Kritik, Anregungen und Tipps bei Twitter oder per E-Mail.