Kiezkamera
Veröffentlicht am 18.11.2020 von Madlen Haarbach
So long, and thanks for all the beer. „Danke für alles, Waldemar!“ und „Machs gut, Waldi!“ steht seit einigen Tagen auf Transparenten und Schildern in der Schillerpromenade 26 im Schillerkiez. Am Fenster der Kiezkneipe „Schiller’s“ haben Menschen Blumen und Kerzen aufgestellt.
Vergangenen Freitag starb Wirt Waldemar Schwienbacher, Kiezinstitution und eine Art guter Geist der Nachbarschaft, in seiner Kneipe. Und nun trauert der Schillerkiez um einen Ort, der für viele erweitertes Wohnzimmer, Treffpunkt, Versammlungsort oder auch Büro war – und um den Menschen, der hinter dem Tresen alte und neue Kiezbewohner*innen zusammenbrachte. Und das bei guter Stimmung und günstigen Preisen, die im Schillerkiez längst keine Selbstverständlichkeit mehr sind.
Im „Schiller’s“ hielt etwa die Lokalzeitung „Kiez und Kneipe“ ihre Redaktionssitzungen ab, bekannte Initiativen wie „100 Prozent Tempelhofer Feld“ – die sich für den Erhalt des ehemaligen Flughafengeländes als Freifläche einsetzt – sind hier entstanden. Dabei hatte es zuletzt gut ausgesehen für die Kneipe: Nachdem Waldemar Schwienbacher im Sommer 2019 zunächst der Mietvertrag für seine Kneipe nicht verlängert wurde, regte sich breiter Protest im Kiez. Auch Schwienbacher gab nicht auf. „Ich habe schon so oft aus dem Nichts wieder angefangen, ich werde es wieder machen“, sagte er damals „Kiez und Kneipe“. Er zog gar einen Umzug an eine neue Location in Betracht. Für den Erhalt der Kneipe gründete sich eine eigene Nachbarschaftsinitiative, die Unterschriften sammelte und Demos organisierte.
Dann, nach einigen Verhandlungsrunden, die gute Nachricht für Schwienbacher: Die Eigentümer des Hauses, die Samwer-Brüder, boten ihm einen neuen Pachtvertrag an. Die berüchtigten Brüder wurden mit verschiedenen Startups zu Millionären, gründeten unter anderem den Modehändler Zalando und den Start-up-Inkubator „Rocket Internet“. Schwienbacher vereinbarte mit ihnen eine Verdopplung der Pacht und einen neuen Vertrag über zwei Jahre. Dann, Anfang 2022, sollte endgültig Schluss sein mit dem „Schiller’s“. Nun kam das Ende schneller als erwartet.
Noch im Oktober gab Waldemar Schwienbacher dem Deutschlandfunk Kultur ein Interview. Mit seinen 73 Jahren denke er nicht ans Aufhören, sagte er. „Ruhestand, da fühle ich mich immer so, als würde man imWartezimmer zum Jenseits stehen“, sagte er mit seiner kratzigen Stimme ins Mikrofon der Reporterin. „Keiner braucht Sie, Sie stehen morgens auf und wissen nicht, was Sie tun.“ Die Bar hingegen, die habe ihm ganz gut geholfen. Vielmehr half Schwienbacher aber den Bewohnern des Schillerkiezes. Und ein Abschied mitten in seiner Kneipe, das hat ihm sicherlich gefallen. Mach’s gut, Waldi.
Foto: Beate Storni
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