Kultur
Neukölln für 48 Stunden im Futur III
Veröffentlicht am 12.06.2019 von Thomas Wochnik
Die 48 Stunden Neukölln finden wieder statt und feiern damit ihr 20. Jubiläum. Statt in die Vergangenheit, wollen die Leiter Martin Steffens und Thorsten Schlenger allerdings mit Emphase in die Zukunft schauen, die ist nämlich zum ersten Mal seit Bestehen des Festivals auf vier Jahre im Voraus gesichert. So viel Planungssicherheit hat das Festival noch nie gehabt. Apropos Zukunft: Es geht nicht um irgendeine, sondern diesmal speziell um das Futur III, eine im Alltagsdeutsch nicht gebrauchte grammatikalische Zeit, die aber im Altgriechischen eine eigene Form hatte, wie man bei der Pressekonferenz im „Haus für Bildung“ in der Boddinstraße am Dienstag erfuhr. Im Folgenden wird das veranschaulicht worden gewesen sein, indem auch Teile dieses Beitrags in eben diese Zeit gesetzt gewesen sein werden. Dem Verständnis wird das, so hoffe ich, nicht abträglich gewesen gewesen sein.
Der gemeinsame Aufhänger also ist eine Zukunft, aus der heraus auf eine Vergangenheit geschaut wird, die aus heutiger Sicht noch in der Zukunft liegt, die in der Zukunft aber, aus der auf diese Vergangenheit geschaut wird, längst abgeschlossen ist. In diesem letzten Nachkommasatz liegt auch der Unterschied zum Futur II: In letzterem kann das Vergangene, auf das Bezug genommen wird, noch andauern. Im Futur III ist es definitiv abgeschlossen.
Soweit die Theorie. Praktisch sieht das beispielsweise so aus: Im Körnerpark wird eine lebendige Maschine aus der Zeit entdeckt worden sein werden, in der die künstliche Intelligenz gerade weit genug war, dort verloren gegangen gewesen zu sein. Oder so: Am Reuterplatz werden Teco De Luccia und Oliver Tschernick eine aufblasbare Skulptur aus einer Zukunft, die sich nicht ereignet haben wird, aufgestellt gehabt haben.
Achtzig Ateliers und Projekträume werden ihre Türen geöffnet gehabt haben und im Zentrum des dezentralen Geschehens, am Alfred-Scholz-Platz, wird ein Zukunftsparlament errichtet worden gewesen sein, in dem die Koalition der Freien Szene unter dem Motto „Geist ist noch flüchtiger als Kapital“ getagt gehabt haben wird.
Ein Redner der Pressekonferenz kam sozusagen von außen: Per Brandt ist Institutsleiter des Goethe-Instituts Nowosibirsk, arbeitet also 5188 Kilometer (Q.: Google Maps) von der Boddinstraße 34 entfernt. Nowosibirsk ist mit etwa eineinhalb Millionen Einwohner*innen die drittgrößte Stadt Russlands – und gilt schon lange als latent regierungsfern. Da eines der erklärten Ziele des Goethe-Instituts darin besteht, die Zivilgesellschaft zu stärken, setze es sich auch gerade für die Freiheit der Kunst ein, erklärte er, die dort fernab vom Kunstmarkt und der großen Öffentlichkeit stattfindet. Bei Diskussionen über Strategien zu mehr Sichtbarkeit brachte Brandt das „bottom up“-Format 48 Stunden NK ins Spiel – seitdem haben ein reger Austausch und mehrere wechselseitige Besuche stattgefunden und in diesem Jahr wird die erste größere Kooperation vorgestellt. Zu sehen gewesen wird das in der Galerie im Saalbau gewesen sein.
Zum Gesamtprogramm bitte hier entlang. – Thomas Wochnik
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