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Gesundheitsbericht: Erhöhte Säuglingssterblichkeit in Neukölln

Veröffentlicht am 06.06.2018 von Madlen Haarbach

Wie berichtet, ist die Säuglingssterblichkeit in Neukölln doppelt so hoch wie im Berliner Durchschnitt. Darauf deuteten die Ergebnisse des Berichtes zur „Gesundheitlichen Lage von Menschen mit Migrationshintergrund“ (PDF hier) des Bezirksamtes hin. Als Gründe führt die Abteilung für Jugend und Gesundheit neben der Bevölkerungsstruktur auch den Fachärztemangel auf. Parallel kommt der Gesundheitsbericht zu dem Schluss, dass junge türkische Frauen ein erhöhtes Suizidrisiko und Kinder mit Migrationshintergrund häufiger Übergewicht haben. Letztere würden parallel allerdings auch seltener Alkohol, Tabak und illegale Drogen konsumieren. Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) betont: „Insbesondere die hohe Säuglingssterblichkeit ist für mich ein Grund zu handeln. Denn die schlechte soziale Lage kann mit Blick auf andere soziale Brennpunkte nicht die einzige Ursache sein.“ Auch die Verfügbarkeit von Ärzten und „die Häufung von Verwandtenehen“ könnten laut Liecke Ursachen dafür sein, die untersucht werden müssten.

Strittig ist vor allem der Verweis auf Verwandtenehen, da die Studienlage hier uneindeutig ist: Zwar gibt es Indizien dafür, dass Kinder von Cousins ersten Grades ein etwa doppelt so hohes Risiko für Fehlbildungen (etwa 6-10 Prozent, je nach Studie) aufweisen – jedoch ist wenig untersucht, inwiefern dieses sich auf die Säuglingssterblichkeit auswirkt. Parallel fehlen offenbar auch Daten zur Häufigkeit von Verwandtenehen in Neukölln, sodass voreilige Schlussfolgerungen über mögliche kausale Zusammenhänge unbelegt sind. Stadtrat Liecke verweist auf Nachfrage darauf, dass es entsprechende Hinweise aus der Praxis gebe: Er habe sich intensiv mit Kinderärzten ausgetauscht, die auf die Möglichkeit der erblich bedingten Gefährdung der Säuglinge durch Verwandtenehen hingewiesen hätten. Die Säuglingssterblichkeit müsse vorurteilsfrei untersucht werden, so Liecke, und daher auch allen Hinweisen nachgegangen werden.

Die Studie weist darauf hin, dass Frauen mit Migrationshintergrund seltener und später Beratungen und Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft wahrnehmen würden. Dadurch sei das Risiko für Infektionen, embryonale Entwicklungsstörungen, Fehlbildungen und ein geringes Geburtsgewicht erhöht. Parallel seien belastende sozioökonomische Bedingungen ein Risikofaktor, ebenso wie sprachliche und kulturelle Hürden – etwa eine erhöhte Scham, sich vor dem Arzt zu entblößen. Diese Risikofaktoren müssten laut den Studienautor*innen dringend untersucht werden, da die Säuglingssterblichkeit ebenso wie die Gefahr von Totgeburten bei ausländischen Familien im Vergleich zu deutschen Familien ohne statistisch deutlich höher sei. Wer als „Ausländer“ gilt und wer „Migrationshintergrund“ hat, wird am Anfang der Studie erläutert.

„Gerade durch die hohe Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund gibt es bereits eine steigende Zahl von gesundheitlichen Angeboten in Neukölln, die speziell auf die besonderen Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe ausgerichtet sind. Vor allem in Anbetracht der starken Zuwanderung in den letzten Jahren, muss die chancengleiche gesundheitliche Versorgung von Familien anderer Herkunft ein gesamtpolitisches Ziel sein – unabhängig davon, ob sie erst kurz oder bereits seit vielen Jahrzehnten in Deutschland leben“, sagt Stadtrat Liecke.

Ein erfolgreich in Neukölln erprobtes Modell macht derweil Berlinweit Schule: Die Babylotsinnen für frische Eltern.