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Jugendstadtrat Liecke rät von Kita-Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung ab

Veröffentlicht am 05.12.2018 von Madlen Haarbach

Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) rät von der Broschüre „Ene, mene, muh – und raus bist du!“ der Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) ab. Die Broschüre, die sich an Kita-Erzieher*innen richtet und Empfehlungen für den Umgang mit rechtsextremem Gedankengut in Kitas geben will, schürt aus seiner Sicht einseitige Vorurteile und regt zur „Bespitzelung ganzer Familien“ an. „Die Broschüre will Vorurteile bekämpfen, vermittelt sie aber selbst. Es ist nicht Aufgabe von Erzieherinnen und Erziehern, die politische Gesinnung der Eltern zu überprüfen“, so Liecke in einer Pressemitteilung.

Liecke hatte die Pressemitteilung im Namen des gesamten Bezirksamtes verfasst. Aber Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) distanzierte sich davon: „Der Bezirksbürgermeister von Neukölln beteiligt sich nicht an Kampagnen der AfD. Eine Beratung dieser Broschüre hat im Bezirksamt Neukölln nicht stattgefunden“, sagte sein Sprecher Christian Berg.

Die Broschüre, bereits vor einigen Monaten veröffentlicht, wurde zuletzt stark auf rechten Blogs und in Medien wie der rechten „Junge Freiheit“, der „B.Z.“ und der „BILD“ kritisiert. Hintergrund ist der vermeintliche Aufruf zur Denunziation von Eltern durch Kita-Kinder. Die Amadeu-Antonio-Stiftung selbst nannte die Vorwürfe „lächerlich“: „Die Vorwürfe […] entsprechen nicht dem, was in der Broschüre steht“, sagte Stiftungssprecherin Simone Rafael dem RBB. „Es wirkt so, als hätten viele der Kritiker die Broschüre entweder nicht verstanden oder überhaupt nicht gelesen.“ Ein Blick in die Broschüre zeigt zudem: An keiner Stelle wird zur Denunziation durch Kinder aufgerufen.

Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey distanzierte sich von der Kritik: „Das kritisierte Beispiel wurde anhand eines konkreten Praxisfalls im Bereich des Phänomens „Völkische Siedlerfamilien“ dargelegt, das in bestimmten Regionen Deutschlands vermehrt beobachtet wird. Dem liegen wahre Fälle aus der langjährigen Beratungspraxis zugrunde, in denen Erzieherinnen und Erzieher gezielt Hilfe im Umgang mit völkisch lebenden Familien gesucht haben“, beschreibt sie in einem Facebook-Post. Der kritisierte Satz sei nicht allgemeingültig formuliert, sondern Teil eines beschriebenen Beispielfalles. „Grundsätzlich gilt: Es ist nicht Aufgabe des Staates zu prüfen, wie Eltern leben und was sie denken. Das ist auch nicht das Ziel der Broschüre, sondern Hilfestellung und Information für Fachkräfte in Kitas“, so Giffey weiter.

Was die Pressemitteilung – und Berichte etwa der B.Z. – unerwähnt lassen: In den kritisierten Beispielen richten sich die Betreuer*innen nicht auf Grund der Kinder an die Eltern – sondern weil sie von anderen Eltern auf das völkische Gedankengut der betreffenden Familie hingewiesen wurden. Liecke zitiert in seiner Pressemitteilung wie folgt: „Trägt das Kind Zöpfe und Röcke? Mag es Handarbeit und ist diszipliniert? Dann könnten die Eltern Rechtsextremisten sein. [Seite 12]“. Auf Seite 12 der Broschüre liest man, dass es sich bei dem zitierten Fall um ein Fallbeispiel handelt. Die Erzieher*innen wenden sich nicht an die Eltern, weil die Kinder Zöpfe haben. Der Fall ist wie folgt beschrieben: „Nun lädt das Mädchen mehrere andere Kinder aus der Kita zum Kindergeburtstag ein. Einige Eltern, deren Kinder eingeladen sind, wissen um die Zugehörigkeit der Eltern in einer rechtsextremen Kameradschaft und machen sich Sorgen, was auf dem Kindergeburtstag passieren könnte. Gleichzeitig möchten sie ihren Kindern nicht so einfach die Teilnahme und damit auch die Möglichkeit zur Freundschaft mit dem Mädchen verbieten. Sie bitten die Erzieher*innen um Rat.“

Lieckes Kritik richtet sich zudem dagegen, dass die Broschüre sich einseitig auf rechtsradikale Elternhäuser fixiere. In Neukölln sei religiöser Extremismus ein deutlich gravierenderes Problem. Dass die Broschüre sich gegen Rechtsextremismus wendet, ist natürlich korrekt und wird an keiner Stelle verschwiegen. Unabhängig davon, dass es  Broschüren gegen religiösen Extremismus gibt (etwa diese vom BAMF), dürften viele Neuköllner*innen die Ansicht, dass Rechtsextremismus im Bezirk kein gravierendes Problem sei, nicht teilen. Dem RBB sagte Stiftungssprecherin Rafael, dass die Expertise der AAS im Bereich Rechtsextremismus liege. „Wenn es um islamistische Agitation oder Linksextremismus geht, gibt es sicher andere Institutionen, die besser darüber aufklären könnten, als das uns möglich wäre“, so Rafael.

Die ganze Broschüre finden Sie hier als PDF. Mit der Kritik insbesondere durch rechte Blogs und der verkürzten Berichterstattung in BILD und B.Z. haben sich Übermedien und der ARD-Faktenfinder auseinandergesetzt.

Übrigens: Auf Seite 7 finden Neuköllner*innen ein Beispiel, das ihnen bekannt vorkommen dürfte. Hier geht es um den Ali-Baba-Spielplatz und den Umgang von Kitas mit rechtspopulistischen Drohungen gegen eben jenen, vermeintlich „islamisierten“, Spielplatz.