Namen & Neues

Zoff um Friedhofskonzept: Umweltschutz vs. Wohnungsbau

Veröffentlicht am 24.04.2019 von Madlen Haarbach

Bei einer Sitzung des Umweltausschusses am 24. Januar soll Umweltstadtrat Bernward Eberenz (CDU) das Friedhofskonzept in Frage gestellt haben. Vorhandene Bäume und Pflanzen müssten erhalten werden, eine Bebauung der ehemaligen Friedhöfe mit Wohnungen stünde dem Umweltschutz entgegen. In der vergangenen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 10. April kritisierte der Verordnete (und ehemalige Baustadtrat) Thomas Blesing (SPD), dass Eberenz nicht den Konsens des Bezirksamtes vertreten würde, sondern seine Privatmeinung – das sei unangemessen.

Eberenz selbst bezeichnete dies als eine „Frage der Perspektive“, die sich nicht auf „ein paar Bäume runterbrechen“ lasse. Bei den Friedhöfen handele es sich um eine entwickelte Biotopfläche, die nicht beliebig ersetzbar sei. Wohnungsbau sei zwar notwendig, die Friedhofsflächen seien allerdings mit die letzten erhalten Grünflächen nach 150 Jahren Verdichtung im Bezirk. In Nord-Neukölln gäbe es eine massive Unterversorgung an grüner Infrastruktur, so Eberenz weiter. „Es geht um das Wohl der Neuköllner in Bezug auf grüne Infrastruktur“, so der Umweltstadtrat, der sich qua Amt dazu verpflichtet fühle, diese Kritik zu äußern. Außerdem handele es sich nicht um seine persönliche Meinung, sondern eine „argumentativ gesättigte fachliche Auffassung, die auch Fachleute unter anderem aus der Senatsverwaltung für Umwelt verteidigen“ würden.

Dieser fachlichen Auffassung steht allerdings der BVV-Beschluss zum sogenannten Integrierten Friedhofsentwicklungskonzept (IFEK) entgegen, an den das Bezirksamt gebunden ist.

Die Diskussion entwickelte sich, neben wiederholter Kritik am IFEK, zu einer grundsätzlichen: Darf ein Stadtrat vom Konsens des Bezirksamtes abweichen und andere Meinungen äußern bei öffentlichen Veranstaltungen (wie eben jener Ausschusssitzung), bei denen er das Bezirksamt vertritt? Eberenz beharrte darauf , dass der Konsens aus der letzten Legislaturperiode hinfällig sei und er das Thema noch einmal aufbringen wolle. SPD-Mann Blesing verwies dagegen auf den üblichen Weg: Eberenz müsse eine Vorlage einbringen und eine erneute Abstimmung der BVV erbeten. Dies sei bislang ausgeblieben. „Ohne einen solchen Beschluss können Sie nicht einfach das Ruder rumreißen“, so Blesing.

Christian Hoffmann (Grüne) erklärte, er wolle sich für Eberenz einsetzen. Es sei sein gutes Recht, das Thema immer wieder aufzubringen, so Hoffmann. Es sei aber auch seine Pflicht, sich den mehrheitlichen Bezirksamts- und BVV-Beschlüssen zu beugen, auch wenn er anderer Meinung ist. BVV-Vorsteher Lars Oeverdieck (SPD) verwies auf den Rechtsweg: Die Fraktionen könnten gerne alle Möglichkeiten nutzen, um zu ändern, was da beschlossen wurde, so Oeverdieck. „Aber so lange ein Beschluss gilt, müssen die Mitglieder des Bezirksamtes den im Ausschuss vertreten.“

Es ergab sich eine kuriose Situation: Während Eberenz (und mit ihm die CDU) sich plötzlich für einen Erhalt der Naturflächen einsetzen, argumentierten ausgerechnet die Grünen für die Bebauung. Bernd Szczepanski (Grüne), Vorsitzender des Umweltausschusses, brachte die Situation auf den Punkt: „Ich als Ausschussvorsitzender erwarte, dass der Stadtrat die mehrheitlich beschlossene Meinung vertritt. Man kann als Amt darauf hinweisen, dass da womöglich Tafelsilber gefährdet ist. Aber man kann das nicht als persönliche Niederlage bezeichnen.“ Die CDU, die sonst Investoren schützen und jeden Zentimeter bebauen wolle, wolle nun „angeblich Grünflächen verteidigen“. Eberenz erklärte, dass er nicht glaube, dass „der Beschluss für Neukölln das Beste ist“ – was wiederum BVV-Vorsteher Oeverdieck im Namen der BVV zurückwies. Es sei keine persönliche, sondern eine demokratische Niederlage.

To be continued.