Namen & Neues
Warum das Bezirksamt bislang keine leeren Wohnungen zwangsvermietet hat
Veröffentlicht am 29.01.2020 von Madlen Haarbach
Wie kann der Bezirk verhindern, dass Wohnungen ungenutzt leer stehen? Könnten einige gar zwangsvermietet werden? Das fragten zwei Einwohner*innen bei der vergangenen Bezirksverordnetenversammlung (BVV), konkret zum Milieuschutzgebiet Schillerkiez. Antwort: Der Bezirk hat keine präzise Übersicht über leerstehende Wohnungen. Es gebe keine kiezgenaue Statistik über Wohnungen, die mit Genehmigung des Bezirksamtes leer stehen, sagte Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne). Es wird weder statistisch erfasst, wo noch warum eine Wohnung leer steht. Man wisse nur, dass im gesamten Bezirk 37 Wohnungen gerade mit Genehmigung leer stehen. Modernisierungsarbeiten beispielsweise sind dabei nach dem Zwecksentfremdungsgesetz auch gar nicht meldepflichtig.
Eine unbestimmte Zahl an Wohnungen stehe zudem legal leer, weil gerade ein Genehmigungsverfahren für den Leerstand oder auch den Abriss laufe, teilte Biedermann mit. Allerdings sei die Dunkelziffer leer stehender Wohnungen sicherlich deutlich höher – das Bezirksamt habe, schon aus Kapazitätsgründen, keine Möglichkeit, eigenständig zu leerstehenden Wohnungen zu recherchieren. Daher sei das Bezirksamt auf die Mitarbeit der Bevölkerung angewiesen, sagte Biedermann: Mieter*innen sollen demnach melden, wenn sie eine Zweckentfremdung (neben Leerstand etwa auch die illegale Nutzung als Ferienwohnung) vermuten, möglichst mit genauen Angaben zu der betreffenden Wohnung.
Mit dem Wohnungsleerstand und möglicherweise zweckentfremdeten Wohnungen beschäftigen sich laut Biedermann derzeit fünf Mitarbeiter*innen des Bezirksamtes und zwei Praktikant*innen. In vielen Fällen sei schlicht nicht zu klären, ob die Wohnung dauerhaft leer steht, weil sich etwa auf Grund des aktuellen Mangels an Handwerksbetrieben kein Bauunternehmen findet – oder ob der*die Wohnungseigentümer*in dies nur behauptet.
In Neukölln wurde noch keine leerstehende Wohnung zwangsvermietet. Diese Möglichkeit bietet das Zweckentfremdungsgesetz als drastische Maßnahme bei ungenehmigtem Leerstand. Allerdings muss hierzu ein*e Treuhänder*in eingesetzt werden – kein einfacher Prozess laut Biedermann. Zum Einsatz komme das Treuhänder-Modell vor allem bei sogenannten Geisterhäusern, bei denen der oder die Eigentümer*in nicht ermittelt werden kann oder diese*r sich überhaupt nicht um das Haus kümmert. Das seien aber absolute Ausnahmefälle, sagte Biedermann. Die Kolleg*innen würden sich mit der Bau- und Wohnungsaufsicht austauschen um zu prüfen, ob das Modell auch auf einzelne Wohnungen anwendbar sei.
„Sollte uns die Anwendung des Treuerhändermodells in einem konkreten Fall aussichtsreich erscheinen, werden wir selbstverständlich nicht zögern, dieses auch zur Anwendung zu bringen“, sagte Biedermann. Ein Beispiel aus Friedenau zeigt, wie langwierig der Kampf um Beseitigung von Leerstand im Kiez sein kann – trotz engagierter Bürger*innen. – Text: Madlen Haarbach
Foto: Kitty Kleist-Heinrich
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