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Fördermittel geplatzt: Elterninitiativ-Kita "Hoppípolla" droht Insolvenz
Veröffentlicht am 24.06.2020 von Madlen Haarbach
20 Kinder ohne Kitaplatz, verschuldete Eltern – laut Angaben einer Elterninitiative ist das das Ergebnis des Kitaprojektes „Hoppípolla“. Demnach wartet die Elterngruppe seit März vergeblich auf die Zusage für Mittel aus dem Berliner Fördermittelprogramm „Auf die Plätze, Kitas, los!“. Da die Eltern selbst Gläubiger*innen sind, würden sie auf ihren Ausgaben von mehr als 22.000 Euro sitzen bleiben – „Hoppípolla“ drohe die Insolvenz.
“Wir sind wahnsinnig enttäuscht von Berlin. Nach eineinhalb Jahren ehrenamtlicher Arbeit, teilweise auf dem Zeitniveau von halben Stellen und so vielen überwundenen Hindernissen wie zum Beispiel dem Abschluss eines über die nächsten 20 Jahre tragfähigen Mietvertrags lässt uns ausgerechnet die Politik im Stich. Was wir von unserem Engagement jetzt haben sind private Schulden, sonst nichts!” sagt Nina K., eine der 19 Gründer*innen des Trägervereins Hoppípolla.
Demnach mussten die Eltern unter anderem Baupläne von einem Architekturbüro erstellen lassen und einen Mietvertrag für die geplante Kita abschließen, um überhaupt einen Antrag stellen zu können. Auf eben diesen Kosten blieben die Eltern nun sitzen. Grund dafür sei, dass die Senatsverwaltung mit der Bearbeitung der Anträge nicht hinterher komme, stattdessen endeten Antragsteller auf einer Warteliste, ohne genauen Zeitplan.
“Da wir einen laufenden Mietvertrag bedienen müssen, für Räume, die wir ohne Fördergelder nicht zu einer Kita umbauen können, brauchen wir jetzt eine Entscheidung der Berliner Politik. Wir können nicht Monate abwarten, in der Hoffnung, dass vielleicht irgendwann irgendwoher Mittel kommen für unsere Bewilligung. Wir brauchen sie jetzt“, sagt Jakob V., ebenfalls Mitbegründer. Alternativ bliebe den Eltern nur, die Reißleine zu ziehen, um zu verhindern, dass der Schuldenberg weiter wachse. „Wir wären unendlich traurig, alles aufgeben zu müssen und unsere Kinder, die sich alle schon kennen natürlich auch. Aber das Risiko wird jetzt einfach zu groß“, sagt V.
Von Seiten der Senatsverwaltung heißt es, dass die entsprechenden Mittel in diesem Jahr tatsächlich bereits ausgeschöpft seien. „In diesem Jahr standen allein für das Landesprogramm 67 Millionen Euro zur Verfügung“, erläutert Sprecherin Iris Brennberger. Es seien bereits früh sehr viele Anträge eingegangen. Träger, deren Antrag in diesem Jahr zunächst nicht zum Zug gekommen seien, könnten sich auf eine Warteliste setzen lassen „und sobald zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen, können sie berücksichtigt werden“. Zudem gebe es die Aussicht auf zusätzliche Finanzmittel für 2020 und 2021 über das Corona-Konjunkturpaket des Bundes mit einer weiteren Milliarde für den Kitaausbau: Dies werde den Platzausbau auch in Berlin ganz erheblich unterstützen, erwartet Brennberger.
Auch der Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS e.V.) rät aktuell dringend dazu, keine Verpflichtungen einzugehen, weil die Förderlage so aussichtslos sei, sagt Sprecherin Babette Sperle auf Anfrage. Sie vermutet eine „höhere zweistellige Zahl“ an betroffenen Initiativen. Das sei „wirklich ein großer Ärger“. Die avisierten Bundesmittel würden wohl nicht vor Herbst kommen und niemand kenne die Bedingungen, an die die Förderung geknüpft werde. Das macht es für Eltern „noch weniger kalkulierbar“, sagt sie.
Unterstützung erhalten die Eltern von „Hoppípolla“ laut eigenen Angaben von der Neuköllner Kita-Aufsicht. „Als Eltern könnten wir uns einfach auf unseren Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zurückziehen und dem Land Berlin die Nannypauschale in Rechnung stellen. Für unser persönliches Engagement, dies nicht zu tun, werden wir nun bestraft. Das können und wollen wir, auch im Interesse anderer Eltern nicht einfach schweigend hinnehmen.“ sagt Anna Müller, Mitbegründerin des Elternvereins.
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