Namen & Neues

Strafverfahren gegen Betroffeneninitiative "Basta" eingeleitet

Veröffentlicht am 30.09.2020 von Madlen Haarbach

Seit dem 2. Mai 2019 steht die Betroffeneninitiative „Basta“ jeden Donnerstag von 8 bis 10 Uhr vor dem Landeskriminalamt (LKA) am Tempelhofer Damm. In einer Mahnwache fordern Betroffene der rechten Anschlagsserie und Unterstützer*innen die Aufklärung der Straftaten – und möglicher rechtsextremer Strukturen innerhalb der Polizei. Vergangene Woche erhielt „Basta“ unerwartet Post von der Polizei. Das Schreiben enthielt allerdings nicht etwa ein Gesprächsangebot, sondern den Hinweis, dass gegen eine Vertreterin der Initiative ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Was war passiert?

Ende Juni hatte die Initiative einmal vergessen, die Anmeldung für ihre Mahnwache zu verlängern. Am 9. Juli sei dann ein Polizist gekommen und habe nach der Genehmigung gefragt, berichtet Karin Wüst von „Basta“. Mit dem Hinweis, dass diese vorliege – wovon die Protestierenden damals noch fest ausgingen – sei er wieder verschwunden. Dann blieb es still, bis Anfang vergangener Woche der Brief eintraf. Zwischenzeitlich hatte die Initiative ihren Fehler gemerkt, eine Verlängerung beantragt und demonstriert seit rund drei Monaten erneut mit Genehmigung. „Wir haben keine Dauergenehmigung beantragt, weil wir immer hoffen, dass es sich mal erübrigt, dass wir da stehen“, sagt Wüst. Die Initiative hat nun eine Anwältin beauftragt. Dem Verfahren selbst sieht sie eher emotionslos entgegen. „Das ist ein Straftatbestand, ja, wir haben einen Fehler gemacht“, sagt Karin Wüst. „Das ist auf jeden Fall ein sehr konsequentes Vorgehen, das zeigt, welche Prioritäten im LKA gesetzt werden.“

In den vergangenen Monaten sei es eher ruhiger geworden um die Mahnwache, sagt Wüst. „So Sprüche wie „Geht doch nach Hause und kocht euren Männern das Essen“, das kommt schon mal vor, oder ablehnende Blicke“, berichtet sie. Es gebe aber auch Leute, die ihnen sagen würden, dass sie sie unterstützen – oder Äußerungen wie „Am Frühstückstisch im LKA darf ich nicht sagen, dass ich gegen rechte Gewalt oder Rassismus bin.“ Auch im Rahmen der BAO Fokus, die keine neuen Ergebnisse erzielt habe, werde zwar immer gesagt, dass es keine rechten Strukturen in der Polizei gebe.  „Dass die internen Ermittlungen immer zu dem Ergebnis kommen, dass es keine rechten Strukturen gibt, ist für mich keine Beruhigung, das ist kaum zu glauben.“

An die Expertenkommission hat sie wenig Erwartungen. „Ich weiß nicht, wer sich die alten Fälle jetzt alles schon wie oft angeguckt hat – noch eine neue Kommission wird auch keine Beweise finden, wenn sie nicht da sind.“ Viele Betroffene kritisierten, dass die Beweissicherung nach Anschlägen und Vorfällen unzureichend sei. Und wenn diese Spuren nicht aufgenommen würden, könne man Jahre später darin auch keine Beweise finden, das sei dann nun mal so. „Ich habe große Zweifel, dass immer alle Beweise genommen werden, die für die Ergreifung eines Täters erforderlich sind“, sagt Karin Wüst. „Ich frage mich, was bedeutet das für die in Rede stehenden Tatverdächtigen, wenn sie immer wieder hören: Wir wissen, dass ihr es wart, aber wir können euch nichts nachweisen. Das fühlt sich für mich überhaupt nicht gut an.“
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Die Strafanzeige war am Montag auch Thema im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses in der Debatte um den Soko Fokus-Abschlussbericht. Der Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux kritisierte explizit den Umgang mit den Betroffenen der Anschlagsserie. „Da muss man sensibler sein!“, forderte er. Innensenator Andreas Geisel (SPD) bezeichnete die Anzeige gegen „Basta“ als „misslich“, ähnlich äußerte sich auch Polizeipräsidentin Barbara Slowik.