Namen & Neues

„Typisch passive Politik“: Menschliche Poller demonstrieren für Kiezblocks

Veröffentlicht am 17.11.2021 von Lotte Buschenhagen

In schwarz-roten Ganzkörperanzügen ziehen vier Personen durch den Richardkiez. 60 Demonstrierende spazieren ihnen hinterher, um es auch künftig unversehrt tun zu können: „Schluss mit Blah Blah Blah“, fordern sie – „wer Kiezblock sagt, muss auch Kiezblock machen.“

Seit Jahrzehnten beschweren sich Anwohnende über den Durchgangsverkehr in den Rixdorfer Nebenstraßen: Krach, Abgase und Unfälle verärgern den Kiez. Für mehr Sicherheit, frische Luft und Ruhe segnete die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Ende Mai die Einrichtung dreier sogenannter „Kiezblocks“ ab. Laut Beschluss sollen im Schiller-, Reuter- und Rixdorfer Kiez – etwa an Hermannstraße, Kottbusser Damm oder Karl-Marx-Straße – mit Pollern und Blumenkästen Absperrungen und „Filter“ geschaffen werden, die Autos am Durchfahren hindern. Das Konzept der Initiative „Kiezblock Rixdorf“, das die Grundlage für den Beschluss bildet, sieht zudem Maßnahmen im Radverkehr und der Parkraumbewirtschaftung vor – Lieferwagen und Anwohnende sollen ihre Ziele jedoch weiter erreichen können.

Was bisher geschah? Nicht viel, meint die Sprecherin der Kiezblock-Initiative Katrin von Kotze. In den sieben Monaten seit dem Beschluss habe sich kaum etwas getan: Auch der einsame Poller, der die „Rixdorfer Schnalle“ zwischen Karl-Marx- und Richardplatz sperren sollte, habe den Durchgangsverkehr in keiner Weise reduziert. Der Verkehr sei lediglich auf andere Nebenstraßen umgeleitet worden. „Jedem der hier wohnt war klar, dass die Schließung der Schnalle keine Besserung bringt“, so von Kotze. „Selbst in Google Maps wird man weiter durch den Kiez geleitet.“ Die Initiative kritisiert die „typisch passive Politik“: Ohne öffentlichen Druck stünden die Planungen still.

Um das zu ändern, sind die Kiezblock-Initiativen Rixdorf und Reuterkiez, das Netzwerk fahrradfreundliches Neukölln und die Initiative Karlsgartenkiez am Freitag einmal quer durchs östliche Rixdorf gezogen. Sie fordern, dass endlich etwas geschieht: „Die Grünen haben im Wahlkampf mit Kiezblocks und Verkehrswende für sich geworben“, sagt Anne Matthies von der Karlsgartenkiez-Initiative. „Der neue Grüne Verkehrsstadtrat muss die gemachten Versprechen nun auch einhalten – wir schauen sehr genau darauf“. Unwissenheit kann dieser künftig nicht vorgaukeln: Mit einem eigenen Redebeitrag bedankte sich Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) bei den Initiativen und versprach, gemeinsam an Ideen zu arbeiten.

„Ich teile den Wunsch der Initiative“, sagt der Stadtrat dem Tagesspiegel. Das Bezirksamt verteidigt er trotzdem: „Wir sind in den letzten Jahren nicht untätig gewesen.“ Neben der Schließung der Rixdorfer Schnalle seien mehrere Rixdorfer Kissen installiert und der Böhmische Platz verkehrsberuhigt worden. Auch der Kreuzungsbereich Böhmische Straße/Herzbergstraße befinde sich derzeit in Umgestaltung, weitere Maßnahmen sollen folgen. Wie schnell, kann Biedermann jedoch nicht sagen: „Vor der Umsetzung benötigt es weitere Planungen und Abstimmungen, beispielsweise mit der Berliner Feuerwehr und der Polizei, aber auch mit Gewerbetreibenden und Anwohner*innen.“ Es sei niemandem geholfen, wenn Vertrauen auf dem Weg zur Verkehrswende verspielt werde.

Und jetzt? Warten wollen die Anwohnenden nicht mehr. Die Initiative Kiezblock Rixdorf fordert verkürzte Verfahren, etwa ein Pop-up-Modell oder Schnellläufer-Planungen. Katrin von Kotze gibt dem Bezirk ein klares Ultimatum: „In den ersten 100 Tagen muss hier etwas passieren.“ Damit das gelingen kann, hat Biedermann die Initiativen zum regelmäßigen Jour Fixe eingeladen.

Doch: Nicht nur der Bezirk sei für die Blocks in der Verantwortung. „Wer mehr Geschwindigkeit bei der Verkehrswende will, muss die Straßen- und Grünflächenämter personell besser ausstatten“, sagt Biedermann dem Tagesspiegel. Für eine derartige „Mammutaufgabe“ seien die Behörden bisher hoffnungslos unterbesetzt. „Ich erwarte vom Berliner Senat, dass er die Bezirke stärkt und den Wunsch nach zügigem Umbau unserer Kieze ermöglicht.“