Sport

Veröffentlicht am 08.07.2020 von David Joram

Almir Numic, 38, amtiert seit dem 17. Mai als Vorsitzender von Tasmania Berlin. Als Jugendlicher spielte er für den SC Tegel und den Berliner AK, später trainierte er Jugendmannschaften bei TeBe, SC Siemensstadt und dem 1. FC Wilmersdorf. Bei Tas trat Numic die Nachfolge von Urgestein Detlef Wilde an, der den Oberligisten 20 Jahre lang geführt hatte. Der Neue an der Spitze wird von Stellvertreter Hussein Ahmad, Sanela Secic (Geschäftsführung), Adisa Numic (Finanzen), Richard Rönspies und Thorsten Keller (beide Beisitzer) unterstützt. „Wir wollen wieder die Nummer Eins in Neukölln werden“, kündigt Numic im Newsletter-Telefonat an, das von einem steten Rauschen begleitet wird.

Herr Numic, wo erwischen wir Sie gerade? Ich sitze im Auto von Köln nach Düsseldorf und bin auf dem Weg zu einem Treffen mit Investoren …

… noch ein Fußballinvestor für Berlin? (lacht) Nein, nein, das ist rein geschäftlich und hat mit Tasmania nichts zu tun. Ich kann alle beruhigen: für uns sind Investoren definitiv kein Thema. Es geht um ein gutes Team, ein gutes Umfeld, nicht um Investments.

Was hat Sie gereizt, die Herausforderung Tasmania anzunehmen und sich den Mitgliedern zur Wahl zu stellen, gerade in dieser von der Coronavirus-Pandemie geprägten Zeit? Das war eine Bauchentscheidung, die fiel nach einem Gespräch im Dezember mit Detlef (Wilde, Anm. d. Red.). Ich kenne den Verein ja noch aus meinen jüngeren Jahren, Tas hatte immer einen großen Namen.

Großer Name, große Vergangenheit, schwere Gegenwart. Wie wollen Sie die Zukunft gestalten? Ich muss Ihnen ehrlich sagen: als ich hier herkam, war ich erstmal etwas schockiert. Wir hatten Wasserschäden, viele Abmeldungen im Januar und Februar, am Stadion gab es viel zu tun. Aber die Fans, die Mitglieder, viele haben mit angepackt. An den Wochenenden standen 30, 40 Leute parat, um Sitze zu reinigen, die Tribünen wieder in Schuss zu bringen; das Sportamt war von so viel Eigeninitiative beeindruckt. Auch von Bezirksbürgermeister Martin Hikel kam viel Unterstützung. Klar, der Wasserschaden ist noch immer nicht repariert, da muss man hinterher sein. Aber nächste Woche sollen die Duschen wieder funktionieren.

Unter anderem via Homepage sucht Tas nach Talenten. Wie wichtig ist Ihnen Jugendarbeit? Darauf liegt unser klarer Fokus, wir wollen wieder die Nummer eins in Neukölln werden, wir wollen wieder den Kiez reinholen, das gilt auch für den Breitensport; die Infrastruktur dazu stimmt.

Wie sieht es personell aus, etwa bei Trainerinnen und Trainern? Wir arbeiten auf Hochtouren, um Trainer für uns zu begeistern, teilweise gelingt uns das auch. Zur neuen Saison werden wir sechs neue Jugendteams stellen können. Im Verein herrscht Aufbruchstimmung, wir haben viele Neuanmeldungen. Es geht jetzt auch darum, die Euphorie mitzunehmen und wieder ein Vereinsleben zu entwickeln. Das ging zuletzt leider etwas verloren. Dazu zählt auch, die alten Fans wieder ins Stadion zu bringen. Ich erhoffe mir – nach Corona –, dass wir durchschnittlich 500 Zuschauer bei uns begrüßen dürfen.

Welche sportlichen Ziele setzen Sie Abu Njie, dem Trainer der Oberliga-Mannschaft, damit Tas die Fans wieder ins Stadion locken kann? Wir wollen nicht rumtaktieren, sondern setzen auf hohes Pressing, auf schönen Fußball. Mit etwas Glück können wir vorne mitspielen. Unser Plus ist: Wir haben eines der besten Trainerteams und neue Spieler bekommen, die charakterlich passen.

Bereits Ende April verlängerten zahlreiche Spieler bei Tas, im Mai kamen weitere. Das heißt, der Kader für die neue Saison steht schon? So ist es, wir haben das im Mai abgeschlossen. Mit Detlef war abgesprochen, dass wir eine Deadline setzen, weil wir früh wissen wollten, wer den Weg mit uns weitergeht. 14 Stammspieler haben früh zugesagt, das war ein wichtiges Zeichen.

Zuletzt prangerten Gerd Thomas (Vorsitzender FC Internationale) und Christian Hildebrandt (Füchse Berlin) in einem Offenen Brief eine „Zweiklassengesellschaft“ im Berliner Fußball an, weil bis zur viertklassigen Regionalliga und in den Junioren-Bundesligen ohne Auflagen trainiert werden darf – und darunter nicht. Tas spielt fünfte Liga, Sie könnten sich den beiden also anschließen. 

Eine einheitliche Lösung wäre sinnvoller, dem stimme ich zu. Aber es gibt eben kein Rezept, deshalb ist es einfach, nun BFV-Präsident Bernhard Schultz und Innensenator Andreas Geisel zu kritisieren. Ich plädiere dafür, mit den Verbänden Geduld zu haben, auch wenn es mal weh tut.

Was schon lange weh tut, ist die mangelnde Bereitschaft von Fußballvereinen, Angebote für Mädchen und Frauen zu schaffen. Auch Tas hat kein Juniorinnenteam. Warum nicht? Wir haben eine sehr gute Frauenmannschaft, die sich gut in den Verein einbringt, engagiert ist und mit der wir in Zukunft etwas aufbauen wollen – auch im Jugendbereich. Es gibt Spielerinnen, die sich eine Trainerkarriere vorstellen können. Es wäre natürlich schön, diese Spielerinnen für Mädchenteams gewinnen zu können. Momentan fehlt die Struktur, eine aufzubauen, ist schwer. Aber wir wollen das – und Neukölln gäbe das her.

 

+++ Das ist ein Beitrag aus dem Leute-Newsletter für Neukölln. Den gibt es in voller Länge und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de

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