Kiezgespräch

Veröffentlicht am 17.11.2021 von Lotte Buschenhagen

Neuer Kiezort an der Hermannstraße: „Studio Nagelneu“ stellt sich vor. Fulminante Kiezgespräche fordern Orte, sie zu führen – einer liegt seit September am Neuen St. Jacobi Friedhof: In der Hermannstraße 103 hat das Prinzessinnengarten Kollektiv die Tore seines neuen Kiezraums aufgestoßen. Zwei Jahre lang dürfen hier nun Workshops, Kochnächte, Diskussionsrunden und all die anderen Treffen einladen, für die sonst nur wenig Platz ist in Neukölln – vom Malen mit Pflanzenfarben zum nordafrikanischen Gemeinschaftsdinner. „Wir merken, dass offene Räume im Stadtbild einfach fehlen“, sagt eine Sprecherin des Kollektivs dem Tagesspiegel. „Für Initiativen und offene Angebote wird es zunehmend schwerer, Orte zu finden.“

Experiment auf Zeit. Dass das Kollektiv das dunkelgrüne Gebäude neben dem Friedhofseingang bespielen darf, hat einen zweischneidigen Hintergrund. Denn: In zwei Jahren sollen die Gewerberäume abgerissen werden – was danach mit der Fläche geschieht, ist noch nicht bekannt. Seine kurze Zeit als kreatives Intermezzo will das Projekt so divers wie möglich füllen. Auf dem Programm stehen Angebote zu Trauerkultur, Antidiskriminierung, Forschung, Nachbarschaft oder Stadtnatur. Neben eigenen Workshops des Kollektivs rufen Veranstaltungen Neuköllner Initiativen ins „Studio Nagelneu“, die den Kiezort kostenlos mieten dürfen. Einzige Voraussetzungen sind dabei, dass es sich um nicht-kommerzielle Angebote handeln muss – und: „Dass Projekte im Rahmen unserer Werte handeln, denn das Studio ist kein Raum für Intoleranz, Diskriminierung, Rassismus, Homophobie“, so das Kollektiv.

Vom Garten auf die Tafel. Finanziert wird das Studio durch das EU-Projekt „Edible Cities Network“, das Gemeinschaftsgärten als Klima- und Sozialprojekte fördert. Nicht zuletzt deshalb soll ein Fokus des Raums künftig auf seiner Küche liegen: „Im nächsten Jahr ist geplant, dass wir nochmal verstärkt in die Verarbeitungsnutzung gehen“, sagt die Sprecherin. „Von Ernte zum Beispiel, die direkt aus unserem Garten kommt.“ Zusammen mit eigenem Gemüse sollen auch gerettete Lebensmittel gemeinsam verkocht werden. Das Projekt wünscht sich, dass möglichst viele Menschen sich vom Studio angesprochen fühlen, den Raum nutzen – nur so wird das Programm auch bunt.

Seinen Namen erhielt das „Studio Nagelneu“ übrigens von dem Nagelsalon, der vor dem Projekt in den Räumen Platz fand. Der Schriftzug des Salons hängt noch immer in der großen Frontscheibe des Anbaus. Sind die zwei Jahre bis zum Abriss verstrichen, sollen Materialien und Elemente des Kiezstudios eine nächste Nutzung auf dem Friedhof finden: ganz nachhaltig, versteht sich.