Nachbarschaft
Veröffentlicht am 27.02.2019 von Maria Kotsev

Gunnar Zerowsky ist Sozialwissenschaftler und seit 2011 Quartiersmanager im Schillerkiez – bis nächstes Jahr. Denn nach 21 Jahren endet die Förderung aus den Töpfen des Programms „Soziale Stadt“, der Kiez gilt als „stabilisiert“. Jetzt geht es in die sogenannte Verstetigungsphase, in der noch Projekte angestoßen und Netzwerke von Bürger*innen zur Selbstorganisation geschaffen werden können. Gunnar Zerowsky zieht jetzt schon mal Bilanz:
Wie sind Sie zur Position als Quartiersmanager gekommen?
Ich habe selbst lange in der Herrfurthstraße gewohnt und von der Ausschreibung mitbekommen. Da ich ganz klassischer Sozialwissenschaftler bin und meinen Schwerpunkt auf sozialem Wohnungsbau hatte, bot sich das an.
Quartiersmanagement ist so ein abstrakter Begriff. Was genau sind Ihre Aufgaben?
Das Programm hat viele unterschiedliche Phasen durchlaufen, unterschiedliche Kritiker und Befürworter gehabt. Als ich anfing, ging es hauptsächlich darum, Öffentlichkeitsarbeit für das Quartiersmanagement (QM) zu machen und die Kommunikation im Stadtteil zu verbessern. Das war nie ganz konfliktfrei.
Wieso?
Rund um die Weisestraße haben wir eine aktive Struktur von Aktivisten unterschiedlicher Couleur. Da wird man schon mal persönlich mit Schriftzügen an der Wand bedacht. Wenn man im Schillerkiez Quartiermanager ist, dann muss man damit leben.
Was sind die Hauptkritikpunkte?
Die Auseinandersetzung beruht auf Prozessen von vor zehn, fünfzehn Jahren. Uns wird oft vorgeworfen, wir würden Projekte gerade jetzt fördern, wo neue Leute in den Kiez kommen und das Gebiet aufgewertet wird. „Jetzt, wo alle kommen, macht ihr die Schillerpromenade neu“, wird uns etwa gesagt. Dabei liegt hier eine Gleichzeitigkeit vor, auf die wir keinen Einfluss haben. Wir müssen bei vielen Projekten auf Genehmigungen, Fördermittel etc. warten. Dass wir vieles gerade jetzt finanziert bekommen, hat nichts mit den Aufwertungsprozessen im Kiez zu tun. Unser Motto ist immer: Das QM ist für die Leute, die hier sind, und nicht für die, die irgendwann kommen.
Wenn Sie auf die letzten acht Jahre zurückblicken, was waren die Erfolge?
Wir haben jetzt zum Schluss insgesamt über 100 Projekte auf den Weg gebracht, zu großen Teilen sozio-kultureller Art. Das reicht von der Begleitung größerer Baumaßnahmen bis hin zur Schaffung von Beratungsstellen, Nachbarschafts- und Vernetzungsangeboten. Wir haben zum Beispiel den Jugendclub YO!22 in der Oderstraße gebaut, weil wir gesehen haben, dass es zu wenig Angebote für Jugendliche gab. Wir haben auch die Schilleria eröffnet und uns dafür eingesetzt, dass sie als Mädchencafé bleiben kann. Auch das Interkulturelle Zentrum Genezareth am Herrfurthplatz haben wir initiiert, die Mieterberatung im Kiez geschaffen, die Schillerpromenade erneuert und umgebaut. Und auch, dass die Kirche auf den Herrfurthplatz gezogen ist, haben wir unterstützt. Das Warthe-Mahl, oder die Infokapelle auf dem St. Jacobi-Friedhof, die im Sommer eröffnen soll, hätte es ohne das QM nicht gegeben.
Was ist in den letzten Jahren nicht so gut gelaufen und was hätten Sie sich noch gewünscht?
Das QM ist darauf ausgelegt, sich überflüssig zu machen. Also sehe ich es als großen Erfolg, dass es 2020 endet. Ein grundsätzliches Problem ist jedoch, dass man die geschaffenen Angebote nicht dauerhaft sichern kann. Denn es gibt keine automatische Regelfinanzierung. Beim Yo!22, der Schilleria und der Mieterberatung konnten wir bewirken, dass sie über andere Programme weiterfinanziert werden. Aber das geht bei weitem nicht mit allen Angeboten. Schön wäre, wenn eine Voraussetzung für die Verstetigung wäre, dass eine bestimmte Anzahl an Projekte regelfinanziert würde. Aber wir haben auch Glück, dass es jetzt in die Verstetigung geht, denn gerade haben das Land Berlin und der Bund Geld. Unsere Gelder sind zudem unattraktiver, denn jedes Projekt muss mit 10 % Eigenanteil vom Bezirk finanziert werden, was einen hohen Aufwand in Transparenz und Bürokratie bedeutet. Mit normalen Fördermitteln hat man das nicht.
Und wie geht es für Sie persönlich weiter?
Da es insgesamt bei 34 QM-Gebieten in Berlin bleiben soll, werden neue Gebiete ausgeschrieben werden. Ich denke, wir werden uns auf ein neues Gebiet bewerben. Mal sehen, wohin es uns verschlägt.
Wer einen Vorschlag hat, welcher Mensch hier unbedingt vorgestellt gehört: Gerne mailen an leute-m.haarbach@tagesspiegel.de.