Nachbarschaft
Veröffentlicht am 03.06.2020 von Madlen Haarbach
Kathrin Becker ist seit kurzem Direktorin des KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst in der ehemaligen Kindl-Brauerei im Rollbergkiez. Im E-Mail-Interview spricht sie über ihren Start inmitten der Corona-Pandemie und künftige Akzente im Ausstellungsprogramm.
Frau Becker, Sie sind seit Februar Direktorin des KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst. Was hat Sie an der Aufgabe gereizt? Das KINDL ist ein fantastisches Gebäude mit großem Potential für unterschiedliche Veranstaltungs- und Ausstellungsformate und befindet sich mitten im spannenden Bezirk Neukölln. Es ist eine tolle Aufgabe, an diesem Ort für das künstlerische Programm verantwortlich zu sein.
Zuletzt waren Sie Geschäftsführerin des Neuen Berliner Kunstvereins und leiteten dort das Videoforum. Was unterscheidet Ihre neue Aufgabe von Ihrer bisherigen? Der größte Unterschied liegt darin, dass ich nun alleinverantwortlich das künstlerische Programm bestimme, inklusive strategischer Überlegungen: Welches Thema, welche Position und welche Form der Vermittlung sind an diesem Ort relevant, und zwar auf lokaler Ebene, also im Kiez, in der Kunststadt Berlin und auch global im Feld internationaler zeitgenössischer Kunst?
Welche Akzente wollen Sie im KINDL setzen? Ich möchte darauf achtgeben, dass das KINDL nahbar bleibt und aufmerksam seiner Umgebung gegenüber. Vermittlung, Kommunikation und Austausch sind die Mittel, mit denen ich diese Aspekte verfolgen möchte.
Wird es einen neuen Fokus im Ausstellungsprogramm geben? Ich glaube, dass jede/r Kurator/in ein eigenes Themenfeld mitbringt, einen eigenen Erfahrungshorizont und eine spezielle Handschrift. Zentral in meiner kuratorischen Arbeit sind Prozesse der Exklusion und Inklusion im Kunstfeld, Machtstrukturen und die Folgen menschlichen Handels im globalen Kontext. Ein gutes Beispiel hierfür sind etwa Projekte zu feministischen Themen, die dann in eine Problematisierung eines weißen, westlichen und hegemonialen Feminismus mündeten. Das Ausstellungsprogramm des KINDL wird sich aus diesem spezifischen Hintergrund speisen.
Ihr Start fiel mitten hinein in die Corona-Pandemie. Wie waren die vergangenen Wochen für Sie? Ich habe meinen Zustand mit „Ups and Downs“ beschrieben. Ich fand es zum Teil schon hart, dass ich nur so wenig Zeit hatte, meine erste Ausstellung mit der wunderbaren Isa Melsheimer zu entwickeln, mit dem Team zusammenzuwachsen, im KINDL heimisch zu werden und dann das Haus schließen zu müssen – ein Gefühl wie im Vakuum. Gleichzeitig habe ich mir immer vor Augen geführt, wie privilegiert und sicher wir hier in Deutschland sind, was sich auch in dieser Krise einmal mehr überdeutlich zeigt.
Was war die größte Herausforderung in den vergangenen Wochen? Im Grunde ist die Pandemie auch eine Übung in Demut. Gewissheiten und lange geübte Routinen müssen hinterfragt werden, alternative Handlungsformate entwickelt werden. Das gilt im persönlichen wie im professionellen Bereich.
Seit dem 6. Mai ist das KINDL wieder – unter Einschränkungen – geöffnet. Wie sehen Sie das Haus für die aktuelle Situation vorbereitet? Das Haus hat einen großen Vorteil: seine räumliche Dimension. Wir sind fürs Erste gut gewappnet, durch Beschränkung der Besucherzahlen und Abstands- wie Hygienemaßnahmen. Im Augenblick arbeiten wir zudem an neuen Wegen für die Realisierung von Publikumsveranstaltungen: Wie können wir eine Ausstellung eröffnen oder eine Führung, ein Künstlergespräch durchführen, wenn weiter Abstandsregeln gelten? Dabei geht es mir nicht so sehr um Online-Formate oder Streamings, sondern die Ermöglichung realer Begegnungen, mit Kunst und Künstler*innen. Denn das ist aktuell wohl das größte Bedürfnis der Menschen: Einander wieder von Angesicht begegnen und sich austauschen zu können.
Foto: Sandro Martini
Wer einen Vorschlag hat, welcher Mensch hier unbedingt vorgestellt gehört: Gerne mailen an leute-m.haarbach@tagesspiegel.de.
+++ Das ist ein Ausschnitt aus dem Neukölln-Newsletter des Tagesspiegels. Jeden Mittwoch neu, hier anmelden: leute.tagesspiegel.de
+++ Themen der Woche:
- BVV beschließt erstes Neuköllner Bürgerbegehren – zu sauberen Schulen
- Kathrin Becker, neue Direktorin des KINDL, über ihren Start inmitten der Corona-Pandemie
- Personalproblem im Grünflächenamt
- Aktivist*innen sprühen Pop-up-Radweg auf Hermannstraße
- Kunstfestival 48 Stunden Neukölln will Kunst zum Publikum nach Hause bringen
- Neuköllner Freibäder wieder geöffnet
- 34 Neuköllner Gastronom*innen fordern unbürokratische Erlaubnis für Pop-up-Gastro