Nachbarschaft
Veröffentlicht am 22.07.2020 von Madlen Haarbach
Carola Muysers ist promovierte Kunsthistorikerin und leitet eine Agentur für kreative Unternehmen. Seit 2015 hält sie als „Rächerin der Kunst“ unter anderem satirische Minivorlesungen zu Meisterwerken der Kunstgeschichte. Vor kurzem ist ein neues Projekt hinzugekommen: Beim „Clean-up Hasenheide“ räumt sie jeden Montag gemeinsam mit anderen Freiwilligen den Neuköllner Park auf.
Frau Muysers, seit vergangenem Montag veranstalten Sie Aufräumaktionen in der Hasenheide. Wie kam es dazu? Ich bin seit 1980 in Berlin und kenne die Hasenheide schon seit Ewigkeiten. Aktuell tanze ich da mit einer kleinen Gruppe – so After-Work-Dancing, und wir nehmen auch brav unseren Müll wieder mit. Das hatte ich auf Facebook begeistert gepostet und kriegte dann eine Art Shitstorm, weil dieses Müllproblem da ist. So hat die ganze Geschichte begonnen.
Worauf bezog sich der Shitstorm? Warfen Ihnen die Menschen vor, zur Vermüllung beizutragen? Nein, die haben gesagt: „Ist ja schön und gut, wenn du da tanzt, aber da ist es doch völlig vermüllt.“ Andere schrieben, die Stadt solle was machen, oder der Bezirk. Da habe ich gesagt: „Stop Leute, ich werde mal da nachfragen, wo die Zuständigkeiten liegen.“ Das war eben das Grünflächenamt. Ich habe angerufen und dem Mitarbeiter gleich gesagt, dass ich mich nicht beschweren will. Der war ganz sprachlos, weil permanent Leute bei ihm anrufen und sich über das massive Müllproblem beklagen.
Und dann haben Sie sich überlegt, selbst tätig zu werden? Ich habe dem Mitarbeiter gesagt: Ich möchte helfen, aber ich möchte das richtig machen. Also, wie ziehen wir das auf, was brauchen wir da, wo deponieren wir den Müll? Dann habe ich einen Aufruf gemacht und der Stein ist über mehrere Medienberichte ins Rollen gekommen. Ich habe gleich gesagt: „Machen wir Nägel mit Köpfen, Montag um 10 Uhr geht’s los.“ Tatsächlich standen am Montag erstmal mehr Presseleute da als Helfer (lacht). Wir waren am Ende fünf Leute, die geräumt haben.
Wird das eine wöchentliche Aktion? Ja, jeden Montag um 10 Uhr, Treffpunkt ist am Minigolfplatz am Eingang der Hasenheide. Gerade brauchen wir vor allem noch ein paar starke Männer und Frauen. Die Hasenheide ist eben richtig zugemüllt. Es gibt zwar auch leichten Müll, den man ganz gut weg räumen kann. Aber auch stapelweise Decken, verlassene Fixer-Lager und sowas. Das wollen wir jetzt alles richtig aufräumen, das schafft das Grünflächenamt eben nicht mehr. Die Hasenheide wird immer mehr zur Müllkippe, deswegen brauchen wir kräftige Leute, die auch was aushalten. Mir geht es gerade vor allem darum, einmal so richtig Grund da reinzubringen, vor allem in den Problem-Ecken. Deswegen müssen die Leute etwas härter im Nehmen sein und dürfen nicht bei jedem Hunde- oder leider auch Menschenhaufen umfallen.
Die Hasenheide war zuletzt unter anderem wegen illegaler Partys im Gespräch. Wer, haben Sie den Eindruck, verursacht den meisten Müll? Da wo wir jetzt gesammelt haben, das waren eher ältere Müllecken, wo sich der Müll so richtig abgelagert hat. Richtige kleine Müllkippen sind schon entstanden. Wir haben einige Drogenstätten entdeckt, wo Utensilien hinterlassen wurden. Da sammeln sich dann auch gerne Ratten, das muss man verhindern. Zum Partymüll: Ich persönlich beobachte eher Gruppen, die ihren Müll sammeln. Auch viele kleine Gruppen, die tanzen und Musik machen, das gönne ich den Leuten von Herzen. Soweit ich weiß, ich selber war da jetzt noch nicht, gibt es bei diesen Großpartys auch immer jemanden, der verantwortlich ist und guckt, dass der Müll wegkommt. Es sammelt sich nur: Da reicht es schon, wenn schon eine Müllecke da ist und jemand schmeißt noch einen Pizzakarton drauf. Wir finden viel Verpackungsmüll, Glas, Kronkorken, Chips- und Plastiktüten, solchen Krempel. Und wenn man das wegsammelt, finden wir darunter die nächste Lage. Da wird es dann richtig eklig.
Wie waren bislang die Reaktionen auf ihre Aufräumaktion? Uns hat zum Beispiel gleich ein kleiner „Drogi“ angequatscht. Wir haben ihm gesagt, er soll gleich mitmachen – hat er sogar gemacht. Im Park selber hatte ich ein Schild gemacht, „Clean-up Hasenheide“. Leute sind stehen geblieben und haben gesagt, dass sie das gut finden. Andere Menschen haben eher negativ reagiert, nach dem Motto: „Wie können Sie sowas machen? Dann macht die Stadt ja gar nichts mehr.“ Aber die Situation ist ein bisschen anders. Es brennt in der Hasenheide, nur eben nicht Feuer, sondern Müll. Da sind wir alle in der Verantwortung.
Was würden Sie sich von Senat und Bezirksamt wünschen? Erstmal, dass die helfen und die Aktion bekannt machen. Und dass diese Aktion – es gibt ja auch andere Parks, die genauso betroffen sind – ausgeweitet wird. Was wir unbedingt haben wollen, ist ein Kaffee nach getaner Arbeit (lacht). Wenn das Bezirksamt vielleicht einen Kaffee und Brötchen zum Schluss spendieren würde, wären wir dankbar.
Was wünschen Sie sich von der Bevölkerung? Die sollen nicht so böse sein auf solche Aktionen. Ich finde, dieses Müllsammeln ist auch Frieden schaffen. Ich sammel auch für Leute, die ich eigentlich furchtbar finde. Um zu zeigen, dass man übergreifend etwas machen muss für die Gesellschaft. Damit die Trennung überwunden wird, zwischen wir Bürger sind die Guten und die Stadt ist die Böse – die Ämter, die das alles nicht schaffen. Dass wir da noch mal drüber nachdenken und unseren Groll verlieren. Den Ämtern geht es ja genauso, die sind völlig überfordert und bestimmt teilweise genervt. Es ist total wichtig, dass wir einfach mal einen Schritt zurück machen, über unseren Schatten springen und gemeinsam anpacken.
Weitere Infos zur Aktion gibt es hier.
Wer einen Vorschlag hat, welcher Mensch hier unbedingt vorgestellt gehört: Gerne mailen an leute-m.haarbach@tagesspiegel.de.
Text: Madlen Haarbach, Foto: Carola Muysers beim 1. „Clean up“ in der Hasenheide am 13. Juli, fotografiert von Bernd Odenthal (Ausschnitt)
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