Nachbarschaft
Veröffentlicht am 05.08.2020 von Madlen Haarbach

Mathias Krebs ist Gründer der Initiative Jungfernmühle, die sich für ein nachbarschaftliches Miteinander einsetzt. Im – urlaubsbedingt – schriftlichen Interview spricht er über die Ziele und Ideen der Initiative.
Herr Krebs, Wie kamen Sie auf die Idee, die Initiative Jungfernmühle zu gründen? Ich hatte bereits seit elf Jahren meine Computerschule an dem Platz an der Jungfernmühle und fand es immer sehr schade, dass der Platz nicht so genutzt wurde, wie der damalige Architekt es geplant hatte: Als Ort, an dem sich die Nachbarschaft trifft, verweilt und austauscht. Hinzu kam, dass mich eine Weiterbildung zum Permakulturdesigner mit Methoden der sogenannten „sozialen Permakultur“ vertraut machte. Zusammen mit den Äußerungen zweier Anwohner und Gewerbetreibenden, die sagten: „Das klappt sowieso nicht, hier war es schon immer tot“, war mein Ehrgeiz entbrannt und ich gründete die Initiative.
Wofür engagiert sich die Initiative? „Initiative zur Wiederbelebung des Platzes an der Jungfernmühle“ heißt es auf unserem Flyer. In erster Linie geht es um die Gestaltung des Platzes an der ältesten erhaltenen Mühle Berlins und diesen wieder sehens- und lebenswert zu machen. Zum anderen ist der partizipative Prozess sehr beeindruckend. Die „Innis“, wie wir uns gerne nennen, übernehmen Verantwortung für ihren eigenen Lebensraum und beginnen, Einfluss zu nehmen. Mittlerweile sind Freundschaften entstanden, die weit über die Platzgestaltung und Nachbarschaft hinaus gehen. Man macht Unternehmungen, fährt gemeinsam in Urlaub, hilft sich gegenseitig und achtet aufeinander.
Welche aktuellen Projekte und Ziele gibt es? Corona hat unseren Plänen ziemlich mitgespielt. Fest steht jedoch: Wir wollen und werden den Platz weiter gestalten. In Planung sind etwa: Ein öffentlich zugänglicher Bücherschrank zum freien Tausch, der Bau weiterer Bänke und kleiner Stehtische zum Verweilen und ein Projekt in Kooperation mit dem Imkerverein der Nachbarschaft, um Bienenkisten aufzustellen und Honig zu ernten. Des Weiteren gibt es seit Jahren – hoffentlich bald wieder gestattete – regelmäßige Feste und Veranstaltungen: Ein Osterfest, Erntedankfest, Mühlensingen sowie ein Repaircafé am Ort.
Sie sind gebürtiger Buckower. Wie haben sich Buckow und die Gropiusstadt in den vergangenen Jahren/Jahrzehnten verändert? Ja, tatsächlich. Ich bin am „Bezirkseck“ Rudow/Britz/Buckow aufgewachsen und wohne heute in Alt-Buckow. Die Gropiusstadt war demnach immer mein Kiez. Wie sich die Gegend verändert hat, ist schwer zu sagen. Vieles ist subjektiv. Aber die Unzufriedenheit über den „Zustand“ des Kiezes nimmt zu, während gleichzeitig die Möglichkeiten sich zu engagieren und Einfluss zu nehmen ansteigen. Es gibt eine riesige Anzahl an sozialen Einrichtungen, Treffs und Hilfsangeboten, die leider nicht immer gesehen oder gar genutzt werden. Speziell hierfür war ich zwei Jahre lang der Projektleiter der vom Programm „Soziale Stadt“ geförderten Nachbarschaftslotsen Gropiusstadt. In meinen Augen sollte die Vernetzung der Menschen, die jeden Tag in all den Einrichtungen für eine attraktivere Nachbarschaft sorgen, vorangebracht werden, um den Bürger*innen aufzuzeigen, dass die Gropiusstadt nach wie vor ein großartiger, grüner und bunter Ort zum Leben ist.
Wie ist Ihre Vision für die Gropiusstadt? Vision? Ja, die hab ich wirklich: Die Menschen werden wieder sozialer, lernen wieder einander zu vertrauen, unterstützen sich, bilden Nachbarschaftsinitiativen, erkennen und teilen ihre Fähigkeiten und bekommen wieder eine positivere Einstellung zum Leben. Klar, Berliner*innen meckern gerne. Das ist auch okay und gehört auch vielleicht zu unserem Charme und Image. Aber eine positive und konstruktive Grundhaltung ist etwas, was nach jahrelanger „Isolierung“ oder „Vereinzelung“ durch gesellschaftliche Veränderungen erst wieder gelernt werden muss. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass das mit den vielen zur Verfügung stehenden Methoden und Menschen auch geht.
Wie kann man bei der Initiative mitmachen? Seit Gründung der Initiative gibt es jede Woche den so genannten Mühlentreff. Bis Ende letzten Jahres fand dieser im Sommer immer draußen auf dem Platz und im Winter in meinen ehemaligen Räumen der Computerschule statt. Zur Zeit (bis die AWO, die meine Räume übernommen hat, den neuen Nachbarschaftstreff fertig eingerichtet und eröffnet hat) treffen sich die „Innis“ beim ansässigen Bäcker am Platz. Wer mitmachen möchte, hat es einfach: mittwochs um 15 Uhr zum Treff kommen, sich vorstellen und einfach mal reinschnuppern. Jede*r ist willkommen und kann sich einbringen. Wir freuen uns riesig darauf, neue Menschen begrüßen zu dürfen.
Weitere Informationen zur Initiative gibt es hier.
Foto: privat
Wer einen Vorschlag hat, welcher Mensch hier unbedingt vorgestellt gehört: Gerne mailen an leute-m.haarbach@tagesspiegel.de.