Nachbarschaft
Veröffentlicht am 02.09.2020 von Masha Slawinski

Michael Kluge ist der Besitzer der Fleischerei Kluge in der Fuldastraße, die in der Nacht von 6. zum 7. August Opfer eines mutmaßlichen Brandanschlags wurde.
Als Kluge fünf Jahre alt war, vor 61 Jahren, kaufte sein Vater das Geschäft. Damals lebte er mit seiner Familie in den hinteren Räumen der Fleischerei, später ist seine Familie in eine über der Fleischerei liegende Wohnung gezogen. 1987 hat er den Laden seines Vaters übernommen. Seit 1989 verkauft die Fleischerei Kluge ausschließlich Bio-Fleisch aus umweltschonender Nutztierhaltung. Wegen der Beliebtheit der Fleischerei, gibt es mittlerweile eine weitere Filiale in Wilmersdorf und einen Marktwagen, der wechselnd am Maybachufer und Südstern steht.
Herr Kluge, was ist mit Ihrer Fleischerei passiert? In der Nacht von Donnerstag zu Freitag vom 6. zum 7. August wurde auf dem Fleischerhof, hinter unserer Fleischerei, Feuer gelegt. Dinge, die dort standen, wurden entzündet. Das Feuer hat sich verbreitet, bis zu den Holzfenstern mit Plastikjalousien. Es zog in die Fleischerei hinein und am Haus hoch. Der ganze Qualm und Rauch hat die Bewohner sehr erschreckt und wegen der warmen Temperaturen hatten natürlich alle ihre Fenster offen. Acht Wohnungen sind nicht mehr bewohnbar. Und der Betrieb in unserer Fleischerei ist nicht mehr möglich, weil alles völlig verrußt und nicht mehr nutzbar ist. Gegen fünf Uhr begann meine Schicht. Ich begann ein bisschen sauber machen. Je heller es wurde, umso grausamer war der Anblick, den ganze Schaden zu erkennen. Die Kabel sind alle durchgebrannt, es gibt keinen Strom mehr, darum musste ich mit der Taschenlampe durchlaufen.
Was für Motive vermuten Sie hinter dem mutmaßlichen Brandanschlag? Bis jetzt habe ich mich an der Diskussion nicht beteiligt. Aber man sollte drüber nachdenken: waren das Halbwüchsige oder war das bewusst ein Anschlag? Es war ja Brandstiftung. Wer hat da die Lebensgrundlage von 20 Menschen einfach vernichtet? Meine Familie, die Mitarbeiter, wir sind noch nicht an dem Punkt, wo wir über eine Kündigung des Mietvertrags nachdenken. Aber es stellt eine Herausforderung für unsere Umsätze dar. Sehr wichtig ist mir die Frage nach dem Warum:
Warum wurde die Existenz meiner Familie in Frage gestellt und warum werden die Mitarbeiter in solche Schwierigkeiten gebracht? Für die über der Fleischerei lebenden Mieter war diese Brandstiftung eine lebensbedrohliche Situation. Hätten sie das Rauchgas eingeatmet, wären sie umgekommen. Zum Glück ist niemandem etwas passiert. 14 Tage davor gab es einen Anschlag auf eine Tiefgarage in der Buschkrugallee. Diese Fragen müssen mal auf den Tisch, das kann ja nicht sein, dass laufend Dinge brennen.
Wie geht es für Sie weiter? Versicherer werden sich an den entstandenen Kosten beteiligen. Der Aufbau würde mindestens ein halbes bis dreiviertel Jahr dauern. Noch sind wir aber nicht richtig überzeugt: Wenn wir den Laden wieder herrichten, was ist in der nächsten Nacht, brennt es wieder? Das ist gerade eine sehr grundsätzliche Frage innerhalb der Familie. Das ist halt auch mein Leben! Ich kenne nichts anderes, da sind meine Wurzeln, da habe ich alle meine Ideen, die ich für mein Leben habe, entwickelt. Mein Vater hat die Fleischerei 1959 im September gekauft. Wir waren immer in diesem Laden, haben ihn im Laufe der Zeit modernisiert und vergrößert. Ich bin auch in dem Kiez zur Schule gegangen. Ich hatte nie einen anderen Ansatz, das war immer der Weg, das stand für mich fest, da habe ich nie drüber nachgedacht.
Was kann man tun, um Sie zu unterstützen? Zum einen bei uns in den Geschäften einkaufen, in der Filiale in Wilmersdorf in der Rüdesheimer Straße. Dann gibt es am Samstag immer den Verkaufsstand am Südstern, Freitag am Maybachufer in der Hobrechtstraße und Donnerstag in der Onkel Tom Straße. Es gibt auch die Möglichkeit, dass wir Gutscheine ausstellen, die im Geschäft eingelöst werden können. Dann natürlich die Werbetrommel rühren und erzählen, dass ein Berliner Fleischer in Neukölln Schwierigkeiten hat. Die Berliner Verwaltung unterstützt uns und auch der Bürgermeister hat uns Unterstützung zugesagt.
Foto: privat
- Wer einen Vorschlag hat, welcher Mensch hier unbedingt vorgestellt gehört: Gerne mailen an leute-m.haarbach@tagesspiegel.de.