Nachbarschaft
Veröffentlicht am 09.09.2020 von Masha Slawinski
Maya Christians-Roshanai lebt zusammen mit ihrem Mann in Neukölln, wo sie den Großteil ihres Lebens verbracht hat. Sie ist Gründerin der Neuköllner Schülerhilfe Maja und bringt Schüler*innen bei, das Lernen zu lernen, ihren Tag selbständig zu organisieren und sich in der Schule für die eigenen Rechte einzusetzen. Zusammen mit Maike Leya hat sie den Verein Fit für die Oberschule Berlin e.V. gegründet, der Eltern und Kindern die Sorgen bezüglich eines Wechsels auf die Oberschule nehmen soll.
Wie sieht eine Unterrichtsstunde bei Ihnen aus? Die meisten Schüler*innen kommen ein- bis zweimal die Woche für eine Stunde hierher. Mein Angebot besteht parallel zum Schulunterricht. Ich weiß, was die Schüler*innen lernen müssen, sie lernen aber auch zu sagen, was ihnen fehlt. Ich rate ihnen, sich kleine Ziele zu setzen und ihr Verhalten täglich neu zu überdenken, und dass sie selber überlegen, was sie in der Schule tun können. Sie sollen lernen, Verantwortung zu übernehmen. Das Wichtigste ist, dass sie sich selbst nicht aufgeben. Die meisten kommen mit guter Laune hierher und auch wieder raus. Es ist schön, dass sich die Schüler*innen untereinander kennenlernen und Freundschaften entstehen und die Eltern sich vernetzen können.
Warum haben Sie sich entschlossen die Maja-Schülerhilfe zu eröffnen? Man soll das machen, was man am besten kann, das sage ich auch immer meinen Schüler*innen. Meine Stärke ist es zwischen Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen zu vermitteln. Ich kann die Schüler*innen auf eine andere Art unterrichten, als es der Regelunterricht zulässt. Mit den meisten Lehrer*innen der Schulen bin ich im Gespräch. Wir loten gemeinsam das Bestmögliche aus. Da kann es auch passieren, dass wir nicht einer Meinung sind. Häufig geht es um Noten. Wenn sich die Leistung verbessert hat, sollte man das auch an der Note sehen. Ich sage, dass es schon wichtig wäre die bessere Note zu geben, um die Schüler*innen zu motivieren, zu zeigen, dass Bemühungen sich lohnen. Lehrer*innen hingegen sagen manchmal, ich gebe lieber die schlechtere Note, damit er oder sie motiviert wird.
Jetzt haben Sie den Verein Fit für die Oberschule e.V. gegründet. Wie kam es dazu? Die Beratungsangebote hat es über meine Arbeit schon immer gegeben. Als die Schulen geschlossen hatten, hatte ich den Wunsch Kräfte zu bündeln. Jetzt kommt Maike Leya ins Spiel, mit der ich vor einigen Jahren gemeinsam Unterricht vertreten habe. Zusammen bilden wir das Team MaMa (Maya und Maike). Mit fünf weiteren Engagierten haben wir im April 2020 den Verein gegründet. Unser Verein soll Ansprechpartner für Eltern und Schüler*innen sein, damit sie alle Infos zu den Schulformen, Vorteilen und Unterschieden, den Schulabschlüssen, dem Anmeldeverfahren u.a. haben, die sie für den Schulwechsel brauchen, um Gespräche auf Augenhöhe zu führen. Wir wollen die Eltern und Kinder beraten, so dass sie selber eine Entscheidung treffen können und die passende Schule finden. Die Auswahl der Schule sollte eine gemeinsame zwischen Eltern und ihren Kindern sein.
Mit was für Unsicherheiten kommen Eltern zu Ihnen? Den Eltern ist es sehr wichtig, dass ihre Kinder die Möglichkeit haben Abitur zu machen. Viele Eltern glauben, dass am Gymnasium die „guten Schüler*innen“ und auf der Sekundarschule die „schlechten und sozial auffälligen Schüler*innen“ sind. Sie sorgen sich, dass ihr Kind falsche Freund*innen kennenlernt, keine Perspektive auf einen bestmöglichen Abschluss hat. Die Schulwahl hängt häufig auch mit dem Ruf zusammen. Wir haben in Neukölln ein starkes Negativimage, was uns sehr stört. Schulen, die einen weniger guten Ruf haben, werden gemieden, obwohl das nicht gerechtfertigt ist. Wir haben keine schlechten Schulen in Neukölln. Jede Schule hat ein Schulprofil und die Schüler*innen sollten schauen, welches davon am besten zu ihren Stärken und auch Interessen passt.
Wie stehen die Kinder zum Wechsel auf die Oberschule? Die Sechstklässler*innen haben eine teils ganz andere Denkweise als die Eltern. Sie gehen auch nach dem Ruf der Schule. Wenn sie hören, dass an einer Schule die Lehrer*innen total streng sein sollen, haben sie natürlich Angst, dass sie sich dort unwohl fühlen. Sie wollen am liebsten dahin, wo ihre besten Freund*innen sind. Andererseits ist der Schulwechsel mit einer großen Vorfreude verbunden. Die Kinder freuen sich auf das neue Schulgebäude, die Fremdsprache oder neue Schulfächer. Gleichzeitig machen sie sich aber Sorgen, ob sie angenommen werden und ob ihre Noten gut genug sind.
Wann findet Ihre Beratung statt? Immer am Mittwoch zwischen 14 und 18 Uhr. Eltern, die nicht kommen können, können auch mit uns telefonieren. Wir haben direkt nach den Sommerferien angefangen. Im Oktober beginnt die heiße Phase, denn wenn man erst zur Zeugnisausgabe des ersten Halbjahres beginnt sich mit der Oberschulwahl zu beschäftigen, ist es meist zu spät. Deswegen sensibilisieren wir die Eltern spätestens im Oktober für das Thema, so dass sie beginnen die Schulen auszuloten, denn sie wählen eine Erstwunschschule und legen auch den Zweit- und Drittwunsch fest. Die Schüler*innen sollten sich mit der Schulwahl wohlfühlen, denn das Wohlbefinden lernt mit.
Foto: Hartmut Christians
Wer einen Vorschlag hat, welcher Mensch hier unbedingt vorgestellt gehört: Gerne mailen an leute-m.haarbach@tagesspiegel.de.
Dieser Beitrag stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Neukölln. Die Newsletter für alle 12 Berliner Bezirke gibt es kostenlos und in voller Länge hier: leute.tagesspiegel.de
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