Nachbarschaft

Veröffentlicht am 16.12.2020 von Madlen Haarbach

Gernot Zessin (links) und Ali Mengi arbeiten bei der Kältehilfestation von Kubus in der Teupitzer Straße. Zessin kümmert sich hauptsächlich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Mengi koordiniert die Kältehilfe.

In der Kältehilfestation von Kubus können seit 15. Oktober bis Ende April jede Nacht bis zu 15 Männer übernachten, außerdem gibt es ein warmes Abendessen, Frühstück und die Möglichkeit, zu duschen und die Wäsche zu waschen. „Die Gäste kommen jeden Abend ab 19 Uhr“, erzählt Ali Mengi. Sie desinfizieren sich die Hände, dann werden ihre Personalien aufgenommen und überprüft, dass sie keine Waffen, Drogen oder Alkohol mit in die Unterkunft bringen. Nach dem Essen und Waschen schlafen sie – natürlich unter Hygienebedingungen – in zwei Räumen mit mehreren Betten, die mit Abstand aufgestellt wurden.

„Gegen 6 Uhr werden die Gäste geweckt, dann gibt es ein schönes Frühstück und gegen 7 Uhr müssen sie die Unterkunft wieder bis zum Abend verlassen“, erzählt Ali Mengi. Morgens können die Gäste außerdem gleich ein Bett für die folgende Nacht reservieren. „Das hat für uns zwei Vorteile: Zum einen kennen wir die Leute dann schon und das reduziert uns auch etwas Arbeit und sorgt für Ausgeglichenheit. Zudem müssen wir dann nicht jeden Tag alle Betten abziehen“, ergänzt Gernot Zessin.

Häufig kämen immer wieder die gleichen Menschen in die Notunterkunft – rund 60-70 Prozent der Männer kämen regelmäßig, sagt Gernot Zessin. Die übrigen fluktuieren. „Die Betten reichen natürlich hinten und vorne nicht“, sagt Zessin – in diesem Jahr noch weniger als sonst, weil die Kältehilfestation coronabedingt die Zahl der Betten reduzieren musste. Daher müssen die festen und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen auch immer wieder Menschen abweisen, weil alle Betten belegt sind. „Wir vermitteln die dann an andere Einrichtungen oder rufen den Kältebus“, sagt Ali Mengi.

Viele Einrichtungen hätten in diesem Jahr Probleme, da lange nicht klar gewesen sei, ob es eine Finanzierung für die Notunterkünfte gibt, erzählt Gernot Zessin. Die Kubus Kältehilfestation ist derzeit die einzige Notunterkunft für Männer in Neukölln, parallel gibt es noch „Eva’s Obdach“ mit derzeit 17 Betten für Frauen. Noch schwieriger ist die Situation in diesem Jahr allerdings für obdachlose Menschen: „Die Situation ist generell schwierig, aber jetzt ist sie noch mal einen Ticken schärfer“, sagt Gernot Zessin. Viele obdachlose Menschen hätten durch die Pandemie Schwierigkeiten, sich selbst zu versorgen oder etwa Flaschen zu sammeln.

„Auch das Thema Corona ist für sie anstrengend: Viele verstehen nicht, warum sie eine Maske tragen sollen – und viele, vor allem osteuropäische Gäste verstehen auch die Sprache nicht und ziehen dann unter diesen komischen Bedingungen durch die Straßen“, sagt Gernot Zessin. Das Thema Corona zu thematisieren sei schwierig, da die Menschen sich in der Unterkunft von ihrem anstrengenden Tag erholen müssten, ergänzt Ali Mengi. „Natürlich muss man sich über die Situation unterhalten, aber es ist meistens schwierig, weil sich die Gedanken der Gäste hauptsächlich darum drehen, wo sie am nächsten Tag etwas zu essen bekommen und wie sie der Kälte entgehen können“, erzählt er.

Ein großes Problem seien fehlende Mittel, sagt Gernot Zessin. Die Kältehilfestation sei auf Zuwendungen des Senats und Spenden angewiesen – und die reichten nicht aus, um etwa psychologisch geschultes Personal oder Sozialarbeiter*innen zu beschäftigen, obwohl diese eigentlich dringend nötig wären. „Die Leute sind in einem generell körperlich schlechten Zustand, verwahrlost, unterernährt, schlecht ernährt, haben diverse Gebrechen und auch psychologische Beeinträchtigungen, weil sie stark unter dem Zustand der Obdachlosigkeit zu leiden haben“, sagt Zessin. Dazu kämen dann häufig Alkohol- und/oder Drogenmissbrauch. „Wir können da leider nicht leisten, was wir gerne leisten würden, weil wir letztlich ‘nur‘ eine Notaufnahme sind“, sagt Gernot Zessin. Dabei würde aus seiner Sicht etwa eine sozialarbeiterliche Betreuung vielen Menschen helfen, eine neue Perspektive zu finden und aus der Situation der Obdachlosigkeit heraus zu kommen.

Und auch im normalen Alltag ist die Notunterkunft auf Unterstützung angewiesen – sowohl finanzielle als auch Sachspenden. Immer benötigt werden laut Zessin lagerfähige, haltbare Lebensmittel wie Tee, Kaffee, Honig, Konserven oder Dauerwurst, aber auch Hygieneprodukte von Seife bis Waschmittel. Außerdem braucht die Station immer ehrenamtliche Unterstützung. Wenn Sie in irgendeiner Form helfen wollen, können Sie sich bei Zessin unter der Telefonnummer (030) 810335-145 melden. Die Nummer des Spendenkontos lautet IBAN: DE 14 1002 0500 0003 2721 03, BIC: BFSWDE33BER, Verwendungszweck: Kältehilfe. Kubus kann als gemeinnütziger Träger auch Spendenquittungen ausstellen. Weitere Infos zur Station gibt es hier.

Foto: KUBUS gGmbH

Wer einen Vorschlag hat, welcher Mensch hier unbedingt vorgestellt gehört: Gerne mailen an leute-m.haarbach@tagesspiegel.de.