Nachbarschaft

Veröffentlicht am 05.05.2021 von Madlen Haarbach

Am 8. Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 76. Mal. In der Hufeisensiedlung will die Initiative „Hufeisern gegen Rechts“ anlässlich des Gedenktages an Menschen erinnern, deren Geschichte häufig kaum beachtet wird.

Rund eine halbe Million Zwangsarbeiter:innen wurden in Berlin während der NS-Zeit ausgebeutet. Ein Blick auf die Übersichtskarte des Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit zeigt, wie viele unterschiedliche Lager, Wohnstätten und Einsatzorte es überall in Berlin gab. In der Hufeisensiedlung etwa befanden sich zwei Lager und mehrere Haushalte und kleine Gewerbe, die überwiegend aus Polen und der Sowjetunion deportierte Zwangsarbeiter:innen beschäftigten und beherbergten. Unter zumeist unwürdigen Bedingungen arbeiteten Kriegsgefangene, Strafgefangene, Zivilist:innen und KZ-Häftlinge in nahezu allen Bereichen: In der Rüstungsproduktion, in Bäckereien, in Wäschereien, als Hausmädchen in Privathaushalten.

Die Initiative „Hufeisern gegen Rechts“ will nun mit einer Gedenktafel an die Zwangsarbeiter:innen in der Hufeisensiedlung erinnern. Die Tafel wird am 8. Mai am Standort des ehemaligen Lagers in der Onkel-Bräsig-Straße 6-8 enthüllt. Parallel soll es eine Ausstellung auf der Hufeisentreppe geben, die die Spuren der Zwangsarbeiter:innen in der Siedlung aufzeigen und dokumentieren soll.

Einen Überblick über die Spuren der Zwangsarbeiter:innen in Berlin, die bis heute sichtbar sind, liefert mein Kollege Andreas Austilat hier (für Abonnent:innen und Probeabos). Darin beschreibt er die vielen Formen der Zwangsarbeit, lässt ehemalige Zwangsarbeiter:innen zu Wort kommen und zeigt, wo heute noch Baracken und Wohnstätten sichtbar sind – etwa auch am Rande des Tempelhofer Feldes.

Auch das Museum Neukölln greift in seiner neuen Ausstellung „Museum des Lebens. Private Erinnerungskultur aus Neukölln“ das Thema auf. Die Ausstellung soll, sofern dies unter Corona-Bedingungen möglich ist, ab Ende Mai zu sehen sein. Eine von zehn Personen, deren Erinnerungen dokumentiert werden, ist der niederländische Zwangsarbeiter Pieter Pannekoek. Weitere Infos zur Ausstellung gibt es hier.

Umfangreiche Informationen zum Thema liefert das bereits erwähnte Dokumentationszentrum NS Zwangsarbeit, das auch eine Recherchedatenbank zur Verfügung stellt. Zudem werden auch einzelne Akteur:innen vorgestellt, etwa Horst Steinert aus Neukölln: Er wurde 1917 in Berlin geboren, war in verschiedenen kommunistischen Organisationen unterwegs und arbeitete für das Neuköllner Unternehmen Willy Haupt als Schädlingsbekämpfer in Zwangsarbeiterbaracken. Die Mitarbeiter:innen der Firma hatten in den Lagern geheime Kontaktgruppen aufgebaut. Sie schmuggelten Kassiber, Medikamente und Lebensmittel in den Behältern mit Desinfektionsmitteln.

  • Foto: Zwangsverpflichtete „Ostarbeiterinnen“ im Durchgangslager Wilhelmshagen im Dezember 1942, Quelle: bpk / Deutsches Historisches Museum / Gerhard Gronefeld
  • Wer einen Vorschlag hat, welcher Mensch hier in der Newsletter-Rubrik „Nachbarschaft“ unbedingt vorgestellt gehört: Gerne mailen an leute-m.haarbach@tagesspiegel.de.