Nachbarschaft
Veröffentlicht am 09.06.2021 von Sophie Rosenfeld
Seit vielen Jahren ist Jim Avignon Stammkunde in der Neuköllner Ankerklause. Seit Pfingstmontag ziert die Wand der beliebten Hafenbar ein neues Wandbild, das dem in Berlin lebenden Künstler zu verdanken ist. Er malt seit Ende der 80er Jahre. Kunst und Musik haben ihn als Ausdruck von Lebensgefühl schon immer am meisten interessiert. Sein bevorzugtes Motiv ist „der Mensch in all seinen Facetten und im Besonderen sein mal komisches, mal verzweifeltes Bemühen mit dem Fortschritt mitzuhalten.“
Jim Avignon bezeichnete sich selbst einmal als „schnellsten Maler der Welt“. Seine Produktivität beläuft sich, nach eigenen Angaben, auf durchschnittlich 4,37 Werken pro Tag. Manchmal malt er sogar alle Exponate einer Ausstellung in nur wenigen Tagen. Das Wandbild an der Ankerklause hat er in fünf Stunden fertiggestellt – er malte von fünfzehn bis zwanzig Uhr. In der Zeit habe er aber auch viel mit vorbeikommenden Gästen geplaudert.
Sein ursprünglich geplantes Motiv hat der Künstler in letzter Sekunde wieder verworfen, „als ich eine Stunde vor Malbeginn hörte, dass im unteren Drittel des Motivs eine Bank vor das Bild montiert werden soll. Mein Motiv hat eher damit zu tun, dass ich seit 30 Jahren einer der ewigen Stammkunden der Ankerklause bin und dort bestimmt schon 3.000 Milchkaffees getrunken habe. Der Kapitän, der verträumt in die Flasche mit dem Flaschenschiff schaut, symbolisiert eine vage Hoffnung, dass nach sechs Monaten Lockdown die Ankerklause endlich wieder Fahrt aufnehmen kann. Die Frau, die im Wald ihre „Likes“ sammelt, verknüpft Märchen mit sozialen Netzwerken. Der Teufel mit Dollarnase, der sich auf das Häuschen stützt, symbolisiert die Wohnungs-/Mietsituation nach Ende des Mietendeckels. Die Weltkugel auf dem Skateboard, die Hochprozentiges serviert, steht für die Globalisierung im Kiez und die rauchende Schlange für die Lust am Konsum.“
In den frühen 90er Jahren dekorierte Jim Avignon Bühnenbilder für Rave-Veranstaltungen, performte während der Documenta X und bemalte einen Mauerabschnitt der East Side Gallery. Die Frage, ob es in Neukölln noch weitere Orte gibt, die er mit seinen Werken verschönern möchte, beantwortet er so: „Ich werde im Sommer wieder die Wand beim Urban Spree auf dem RAW Gelände bemalen und gleich um die Ecke der Ankerklause ist noch ein weiteres Bild in Arbeit, über das ich aber jetzt noch nicht sprechen möchte.“
Foto: Oliver Wiehe
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