Nachbarschaft

Veröffentlicht am 11.08.2021 von Pauline Faust

Wie die EU nach Neukölln kommt. In den letzten Wochen wurden Ihnen im Newsletter die aussichtsreichsten Kanidat:innen für die Bezirkswahlen in Neukölln vorgestellt. Es gibt aber noch kleinere Parteien, die sich in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) engagieren möchten. Drei Prozent der Stimmen braucht es mindestens, um in die BVV zu kommen. Auf diese hofft auch Emily Jürgens, die für Volt auf Listenplatz 1 kandidiert. Volt wurde 2017 gegründet und ist in ganz Europa aktiv. Im Interview erzählt die 26-jährige Rechtsreferendarin, was sie in Neukölln erreichen möchte.

Frau Jürgens, bisher sitzt Volt in keinem Berliner Parlament. Warum sind Sie nicht in eine etablierte Partei eingetreten? Durch mein Erasmussemester habe ich verstanden wie privilegiert man als Unionsbürger:in ist und was für riesige Vorteile die Europäische Union uns allen bringt. Da wurde mir klar, dass ich mich aktiv dafür einsetzten möchte, die Union weiterzuentwickeln und zu verbessern. Das geht bei Volt super: Wir sind nicht nur eine Partei, sondern auch eine Bürgerbewegung. Man wird sehr schnell integriert und kann von unten mitbestimmen.

Die EU, das ist ein sehr großes Thema. Wie passt es nach Neukölln? Neukölln ist einer der vielfältigsten Berliner Bezirke. Hier wohnen viele europäische Bürger:innen, insbesondere Menschen mit italienischem Pass. Daher spielt die EU hier eine wichtige Rolle im Kiez. Außerdem ist eines unserer Mottos: „Europäisch denken, lokal handeln.”

Sie wollen die Rechte von EU-Bürger:innen in Berlin stärken. Wie? Sie sind genauso Berliner:innen und leben hier, daher sollten und dürfen sie mitbestimmen. Leider kennen viele Unionsbürger:innen ihre Rechte schlecht, etwa dass sie auch die BVV wählen können. Deshalb wollen wir Kiezbüros wie etwa das Donaukiezbüro stärker fördern. Mit einem Welcome-Desk wollen wir außerdem Neu-Berliner:innen gesammelt Informationen zur Verfügung  stellen. Natürlich engagieren sich schon viele Initiativen in dem Bereich, aber wenn sie eine Partei im Rücken haben, die sie unterstützt, hat das auch noch einmal eine andere Wirkung. Volt setzt sich außerdem europaweit dafür ein, dass EU-Bürger:innen zukünftig an ihrem Wohnort an lokalen und nationalen Wahlen teilnehmen können.

Viele Neuköllner:innen haben keinen EU-Pass und dürfen hier nicht wählen. Was ist mit ihnen? Deshalb wollen wir mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten außerhalb der Parlamente schaffen. Unser Motto ist: Bürger:innen beteiligen, egal ob wahlberechtigt oder nicht.

Wie sieht Ihr Neukölln der Zukunft aus? Bei Volt schauen wir uns Best Practrices aus Europa an und stellen die Frage, was wir davon vor Ort umsetzten können. Bestes Beispiel: In Barcelona gibt es „Kiezblocks“ mit denen verkehrsberuhigte Zonen geschaffen werden – das möchten wir auch in Berlin. So können wir den europäischen Gedanken nach Neukölln bringen.

Aber orientiert sich die Stadtplanung nicht schon immer an Vorbildern aus anderen Städten? Na klar. Unser Vorteil als Politiker:innen ist aber, dass wir in einer paneuropäischen Partei sind. Ich kann also unsere Parteikolleg:innen in Barcelona anrufen und fragen, wie sie das konkret umgesetzt haben.

Was wollen Sie sonst noch in Neukölln ändern? Wir haben hier ein riesiges Abfallproblem. Es gibt da viele kleine Stellschrauben, die ich bewegen will: Werbung für die Sperrmüllabholung machen, Pfandsysteme stärken und größere Abfalleimer am Ufer aufbauen.

Auf BVV-Ebene gibt es keine verlässlichen Wahlprognosen. Wie schätzten Sie Ihre Chancen ein? Ich bin sehr zuversichtlich. Bei der Europawahl konnten wir in Neuköllner Wahlkreisen bis zu 2,5 Prozent holen, drei brauchen wir. In anderen Großstädten haben wir das auch schon geschafft