Intro

von Christian Hönicke

Veröffentlicht am 01.02.2018

wann waren Sie eigentlich zuletzt im Kiez einkaufen? So richtig mit Bummeln und Schlendern, von Geschäft zu Geschäft? Die Kunst des mußevollen Einkaufs scheint langsam zu verschwinden, und mit ihr die Läden, die ganze Straßen und Viertel geprägt haben. Zum Beispiel die Schönhauser Allee, die einst als „Ku’damm des Nordens“ galt. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, viele Geschäfte sind verschwunden, der Leerstand schreitet voran.

Ein Grund dafür ist, dass immer öfter im Internet statt im Kiezgeschäft eingekauft wird. Die Logistikbranche sieht das mit Sorge und beschwört schon den Kollaps der Innenstadt herauf. Auf jeden Fall kehrt die Bestellmentalität den großen Vorteil der Großstadt, vielfältige Kieze mit kurzen Wegen, derzeit ins Gegenteil um. Der Einzelhandel ist auf dem Rückzug und wird durch Spielhallen, Frisöre oder Burgerbuden ersetzt. Dafür werden Straßen, Radwege und Bürgersteig zu dauerverstopften Handelsrouten, mit teilweise absurden Auswüchsen. Lieferwagen parken zur schnellen Anlieferung von Kleinstlieferungen „mal kurz“ die Radwege der CO²-Helden zu, die zwar mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, sich die Einkäufe vom Supermarkt nebenan aber immer öfter bequem nach Hause liefern lassen.

Der Gehweg wird als Ausgleich zur Schnellstraße für Fahrradkuriere umfunktioniert, wie auch mein Kollege Klaus Kurpjuweit beobachtet hat. Kinder und Alte bleiben schon allein aus Sicherheitsgründen besser zu Hause und lassen sich beliefern. Doch selbst die fitten, kampferprobten Großstädter, die von zentralen Szenerestaurants umzingelt wohnen, bestellen sich ihr Essen inzwischen direkt in die Wohnung.

Und die Händler machen munter mit bei diesem irrwitzigen Warenkreislauf. Beim Filial-Optiker an der Schönhauser werden Kunden aus dem Kiez sanft, aber unablässig bedrängt, doch lieber online zu bestellen. Bei einer Modekette mit einem „&“ im Namen dürfen sie sich die favorisierte Hose nicht in der passenden Größe bestellen, sondern müssen sie – richtig –  online nach Hause ordern. Ein paar Tage (oder Woche, siehe unten) später dürfen sie es sich im benachbarten Shop abholen, wo es der Zusteller abgegeben hat, weil er keine Lust auf den vierten Stock hatte. Da kann man doch gleich auf dem Dorf wohnen, und grüner ist’s da auch noch.

Und wie halten Sie es? Lassen Sie liefern oder sind Sie schon bedient?

Christian Hönicke ist Pankower. Wenn Sie Anregungen, Kritik oder Wünsche haben, schreiben Sie ihm einfach eine E-Mail an leute-c.hoenicke@tagesspiegel.de.