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von Christian Hönicke

Veröffentlicht am 18.07.2019

muss Pankow Naturschutzgebiete opfern, um die Berliner Wohnungsnot zu lindern? Das Landschaftsschutzgebiet Blankenfelde zugunsten des Wohnungsbaus zu verkleinern, fordert jedenfalls die Bauplaner-Initiative „Bürgerstadt Buch“, über die wir vor kurzem berichteten. Sie regt unter anderem den Bau einer „Gartenstadt Buchholz“ an. Neben der Elisabeth-Aue sollen dafür auch Flächen bebaut werden, die zum LSG Blankenfelde gehören. Es handelt sich um drei zusammenhängende Areale südlich des Dorfs Blankenfelde: das ehemalige Rieselfeld Möllersfelde, die angrenzende Martha-Aue und einen Zipfel am Schillingweg zwischen Martha- und Elisabeth-Aue.

Sie wurden allesamt Anfang der 2000er Jahre in das LSG Blankenfelde einbezogen – als südlichster  Teil des Berlin-Brandenburger Großschutzgebiets „Naturpark Barnim“. Die Initiative um den SPD-Baupolitiker Volker Härtig fordert angesichts der Wohnungsnot, den Schutz für diese Flächen nun wieder aufzuheben. Damals habe es einen entspannten Wohnungsmarkt gegeben: „Es muss sachgerecht und ernsthaft überprüft werden, ob angesichts der seit längerem völlig veränderten Verhältnisse die Schutzfunktion für das Gesamtgebiet dauerhaft aufrecht erhalten werden soll.“ Die Flächen würden sich für den Wohnungsbau „hervorragend eignen“.

Wohnungen statt Schutzgebiet in Pankow – das fand Berlins Regierender Michael Müller (SPD) aus seinem fernen Tempelhof betrachtet gleich mal ziemlich gut: „Wir brauchen neuen Wohnraum und ich freue mich sehr über diese Überlegungen.“ Aber damit steht er ziemlich allein da, selbst in seiner eigenen Partei (siehe Namen & Neues). Die Initiative sei mit der Pankower SPD nicht abgesprochen, stellt der Bezirksfraktionsvorsitzende Roland Schröder klar, die Vorschläge der Initiative lehne man fast komplett ab. „Mit uns ist eine Bebauung dort nicht zu machen. Wir wollen weder die Kleingärten noch derartige Schutzgebiete bebauen.“

Schröder verwies auf die seit Jahren schwelende Debatte um die Bebauung der Elisabeth-Aue. Das sei eine industriell genutzte Ackerfläche, „daran ist meiner Meinung nach nicht viel schützenswert. Wenn wir an die echten Naturflächen rangehen wollen, wird es ganz massiven Widerstand geben, und das zu Recht. Diese Gebiete wurden ja nicht umsonst ausgewiesen.“

Auch die Linkspartei stellt sich energisch vor die Schutzgebiete. Ihr Sprecher für Bauen und Wohnen, Michail Nelken, nannte die Vorschläge „indiskutabel“. Eine Aufgabe von Landschafts- und Naturschutzgebieten zugunsten einer Wohnbaunutzung müsse sorgsam abgewogen werden. „Ich kenne keine einzige fundierte Begründung seitens der Bürgerstadt AG für solch eine Nutzungsänderung, keine Abwägung von Vor- und Nachteilen.“

Dass die Bürgerstadt AG dort mit anderen Investoren gerne Mietwohnungen errichten wolle, sei „Ignoranz gegenüber den Qualitäten der gegenwärtigen Nutzung und Planung im Nordosten der Stadt“, so Nelken. „Ich glaube nicht, dass die Bürgerstadt AG ähnlich gedankenlos mit Grün- und Naturschutzflächen im Westen Berlins umgegangen wären und eine Begründung für die Nichtbebauung des Grunewalds oder des Tiergartens verlangt hätte.“ Selbst in den großspurigen Planungen der Nachwendeeuphorie für eine 6-Millionen-Stadt seien diese Flächen als Grün- und Naturschutzflächen geplant worden. Auch Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (ebenfalls Linke) will deshalb auf den „hochwertigen Naturschutz- und Erholungsflächen“ nicht bauen.

Ja, nicht einmal die CDU will das LSG antasten. Zumindest nicht die Pankower Union. „Trotz der Wohnungsnot in der Hauptstadt müssen Berlins grüne Lungen, die Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete, tabu sein“, sagt der Bezirksfraktionsvorsitzende Johannes Kraft. Er wollte sogar die Elisabeth-Aue unter Schutz stellen und damit für eine Bebauung sperren lassen, scheiterte damit aber bisher in der BVV.

Ebenfalls vehement gegen Wohnungen im LSG spricht sich Pankows Baustadtrat Vollrad Kuhn (B’90/Grüne) aus. Denn gerade Pankow habe mit seinen vielen Wohnungsbauvorhaben erheblichen Bedarf an grünen Ausgleichsflächen. Und im Landschaftsprogramm des Landes Berlin sind insbesondere die nördlichen Flächen im Bezirk Pankow, inklusive des Landschaftsschutzgebietes Blankenfelde, als potentielle Kompensationsflächen gekennzeichnet. „Von daher kann einer großflächigen Reduzierung des Schutzgebietes durch zukünftige Bebauung nicht zugestimmt werden.“

Christian Hönicke ist Pankower. Wenn Sie Anregungen, Kritik oder Wünsche haben, schreiben Sie ihm einfach eine E-Mail an leute-c.hoenicke@tagesspiegel.de.