Intro

von Christian Hönicke

Veröffentlicht am 27.02.2020

Pankow soll ein bisschen werden wie Amsterdam: Auf den Straßen soll es mehr Platz für Menschen und Grün geben – und weniger für Autos. Mit diesem Ziel starten die Pankower Grünen nun gemeinsam mit Anwohnern in Alt-Pankow das Pilotprojekt „Stadtraum 2030“. Für sechs Straßen sollen in Workshops Stadtplaner und Anwohner Umgestaltungsideen entwerfen, die dann vom Bezirksamt umgesetzt werden. Dabei ließ man sich von Amsterdam inspirieren, wo 10.000 Parkplätze weichen sollen, um Menschen mehr Raum zu geben. Erste Straßen wurden dort bereits umgestaltet – wie das aussieht, kann man in diesem Video auf Vimeo sehen.

Die Initiative in Pankow sei dabei aus dem Kiez selbst gekommen, sagt Cordelia Koch, die Fraktionsvorsitzende der Pankower Grünen. „Die Anwohnenden haben sich immer wieder wegen der Verkehrsprobleme an uns gewandt. Manche sagen, die Straßen sind zu voll. Andere stellen die Nachverdichtungspläne im Kiez in Frage, weil dadurch Raum zur Freizeitgestaltung wegfällt. Oder: Mein Kind kommt nicht über die Straße, zu viel Durchgangsverkehr, es gibt keinen Fahrradweg. Wir greifen diese Sorgen mit dem Projekt auf.“

Ende des letzten Jahres habe man sich mit Anwohnern zusammengesetzt. Im Januar habe es einen ersten Workshop gegeben, nun gehe man die konkrete Planung für sechs Straßen direkt am Schlosspark Schönhausen an: Wolfshagener Straße, Crusemarkstraße, Amalienpark, Eintrachtstraße, Mendelstraße und Kavalierstraße. „Wir gehen explizit nicht mit bestimmten Vorgaben für die Straßen rein“, sagt Koch. Man frage die Menschen erst einmal, was sie sich wünschen. Und wolle die PankowerInnen so öffnen für die Idee, „dass der Straßenraum nicht mehr vom ruhenden Verkehr dominiert wird“.

Die „Null-Variante“ sei laut Koch: „Es bleibt mehr oder weniger so wie jetzt, und es werden nur ein, zwei Lösungsvorschläge zur Beruhigung des Durchgangsverkehrs umgesetzt.“ Es könnte aber auch darauf hinauslaufen, dass Raum und Verkehr im Kiez komplett neu verteilt werden: „Zum Beispiel, da, wo jetzt noch Straße ist, eine Kneipe, ein paar Bänke, Grünzeug, Blumen, Fahrradständer – wenn die Menschen das wollen. Das Ziel des Projekts ist es, Lebensraum für die Anwohnenden in ihrem Kiez zu schaffen.“ Aber am Ende müssten diese selbst entscheiden, „wie viel vor ihrer Haustür für stehendes Blech reserviert ist und wie viel für Menschen“.

Inspirieren ließ sich Koch vom Rotterdamer Stadtplaner Martin Aarts. Er wird gemeinsam mit dem Planungsbüro MLA+ nicht nur mögliche Umbauvarianten für Pankower skizzieren. „Erst einmal zeigen wir den Anwohnern Referenzprojekte aus Europa, Barcelona und Paris, damit sie sehen, dass die Umwandlung des Stadtraums in ganz Europa voranschreitet“, sagt Aarts, der einige Zeit im Bezirk gelebt hat. Dann werden Umgestaltungsmöglichkeiten für verschiedene Straßentypen generell in Pankow präsentiert, etwa für große wie die Bornholmer oder die Mühlenstraße, aber auch für die Breite Straße und den Pankower Dorfanger. Aarts: „So können die Leute erkennen, dass das nicht nur in Amsterdam oder Barcelona geht, sondern natürlich auch in Berlin. Und dass man sich darauf auch freuen kann.“

Für zwei der sechs ausgewählten Straßen am Schlosspark werden Aarts und das Büro ganz konkrete Varianten entwickeln. Bei den restlichen vier Straßen sollen die Anwohner selbst die Federführung übernehmen – in Zusammenarbeit mit Studenten der Beuth-Hochschule. Dafür sollen die Straßen als Veranstaltungsort im Mai und Juni zeitweise abgesperrt werden. „Wir müssen ja mit den Leuten diskutieren“, sagt Koch. „Und wo machen wir das? Natürlich auf der Straße selbst.“

Eine eigene Idee werfen die Grünen aber doch in den Raum: die „Kiezgarage“. Sie schlagen vor, ein Parkhaus für Anwohner auf dem Gelände des Sommerbads Pankow zu errichten. Mit Erschrecken habe sie festgestellt, dass die Berliner Bäderbetriebe beim geplanten Umbau zum Kombibad 200 ebenerdige Autoparkplätze auf dem Gelände schaffen wollen, sagt Almuth Tharan, Kochs Mitstreiterin bei dem Projekt und Sprecherin für Stadtentwicklung der Pankower Grünen. „Da haben wir gesagt: Das darf nicht sein. Wenn schon, dann muss da ein Parkhaus hin – aber eins, das den Anwohnenden auch Vorteile bringt.“ Tharan räumt ein, dass die Sache einen Haken hat: Pro Stellplatz wären mindestens 90 Euro im Monat fällig. „Wir wollen die Kiezgarage nicht um jeden Preis durchbringen, es ist nur eine Idee“, sagt Koch. „Aber so könnte man Parkplätze von der Straße weg verlagern, ohne dass Anwohnende auf ihre Autos verzichten müssten.“

In die Planungen sind das Bezirksamt und der grüne Baustadtrat Vollrad Kuhn einbezogen. „Das Bezirksamt wird mit Mitarbeitern zu Gesprächen bereitstehen“, sagt Tharan. „Es ist durchaus das Ziel des Amts, dass Maßnahmen hinterher auch umgesetzt werden.“ Mindestens solle die Verkehrssicherheit verbessert werden.

Und bis wann das alles? Die Einrichtung einer Anwohner- oder Einbahnstraße lasse sich in ein bis drei Jahren durchführen, sagt Koch. „Eine größere Umgestaltung einer Straße dauert natürlich ein bisschen.“ Mit dem Projektnamen „Stadtraum 2030“ orientieren sich Pankows Grüne an der Aussage der Verkehrssenatorin Regine Günther, dass bis zu just jenem Jahr Verbrennungsmotoren aus der Stadt verschwinden sollen. „Wir wollen eine Vision für die Zeit schaffen, wenn die Verbrennerautos weg sind und es insgesamt weniger Autos in der Stadt gibt“, sagt Tharan. „Wie sehen unsere Straßen und Kieze dann aus? Bei der Beantwortung dieser Frage sollen die Menschen mitwirken.“

– Text: Christian Hönicke

Diesen Text haben wir dem neuen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Pankow entnommen. Den gibt es in voller Länge und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de

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