Intro

von Christian Hönicke

Veröffentlicht am 13.08.2020

seit Montag läuft der „Regelbetrieb“ in Berlins Schulen wieder. Unter großem Zittern: Während in anderen Bezirken gleich Infektionsfälle auftraten und das Gerhart-Hauptmann-Gymnasium in Treptow-Köpenick deswegen wieder komplett geschlossen wurde, ist es bisher in Pankow noch ruhig. Das neue Schuljahr habe in Berlins schülerreichstem Bezirk „erfreulicherweise ohne größere Probleme begonnen“, teilt Schul- und Gesundheitsstadtrat Torsten Kühne (CDU) mit. „Zumindest sind weder bei uns im Bezirksamt noch in der Schulaufsicht Pankow entsprechende Problemanzeigen eingegangen.“

Allerdings habe Kühne alle Schulen „nochmal auf die Wichtigkeit der Kohortenbildung und Vermeidung der Durchmischung der Kohorten hingewiesen.“ Nur so könnten Fälle wie aktuell in Mecklenburg-Vorpommern vermieden werden, wo ein Positivfall gleich zur Schließung ganzer Schulen führte. Um eine räumliche Entzerrung des Mittagsessens zu ermöglichen, habe man in Pankow mit den Caterern „logistisch und finanziell umsetzbare Konzepte“ entwickelt. „Ansonsten müssen wir sehen, wie sich der Schulalltag entwickelt und die Vorgaben des Musterhygieneplans umgesetzt werden“, sagt Kühne.

Scharfe Kritik am Management des Schulstarts kommt dagegen vom Bezirkselternausschuss (BEA). Sie richtet sich insbesondere an die Senatsbildungsverwaltung. „Die Sorgen der Eltern sind groß und viele Schulen fühlen sich im Stich gelassen“, berichtet die BEA-Vorsitzende Juliane Bartel. „Die erste Woche hat gezeigt, dass die Vorgaben, die die Senatsbildungsverwaltung den Schulen zur Verfügung gestellt hat, diese nicht befähigen, den Regelbetrieb in Pandemiezeiten abzusichern.“

Es sei etwa deutlich geworden, dass es große Unterschiede zwischen Grund- und Oberschulen gebe, die sich nicht in den Vorgaben der Senatsverwaltung abbilden würden. „Die Regelungen zum Tragen von Masken können bei Nichteinhaltung nicht von den Schulen durchgesetzt werden und sind den Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern nicht vermittelbar“, kritisiert Bartel. „Warum trotz steigender Infektionszahlen an einem Schulstart in dieser Form festgehalten wurde, ist schlichtweg unverständlich. Situationsangepasstes Reagieren sieht anders aus.“

Zwar hätten „einzelne Schulen“ Wege gefunden, mit der Situation umzugehen, sagt Bartel. Insgesamt habe die Pandemie aber deutlich gemacht, dass es an vielen Stellen Bedarf zum Nachsteuern gibt. Dies hätten zwei große Umfragen des BEA Pankow bestätigt: „Kaum eine Schule ist für erneute (Teil-)Schließungen gut aufgestellt, und schon jetzt werden abwesende Schüler*innen aus Risikogruppen schlichtweg vergessen.“ Auch die Konzepte des Fernunterrichts müssten dringend weiterentwickelt werden.

Bartel kritisiert insbesondere das Engagement der Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) scharf. „Immer wieder hören wir die Frage ‚Was hat die Senatsverwaltung in den sechs Wochen Ferien eigentlich gemacht?‘. Die dünnen Informationen an die Schulen kamen scheibchenweise, viel zu spät, und Weiterbildungen zur Didaktik von digitalem Unterricht fanden nicht statt.“

Gar „total absurd“ findet die Stellvertretende BEA-Vorsitzende Carola Ehrlich-Cypra die Kommunikation der Senatsbildungsverwaltung in der Corona-Krise. So hätten mehrere Pankower Schulen den neuen Musterhygieneplan nicht direkt von der verantwortlichen Bildungsverwaltung erhalten, sondern über den Landeselternausschuss und die Presse (in diesem Fall meine hoch geschätzte Kollegin Susanne Vieth-Entus). Offiziell sei er erst mit Verzögerung über die bezirkliche Schulaufsicht in den Pankower Schulen eingetroffen, „das ist wohl der normale Weg“. Es sei nicht das erste Mal, dass Eltern und Viet-Entus‘ Nachrichten die Kanäle sind, über die die Schulleitungen dringende Infos erhalten.

„Es scheint, dass die Senatsbildungsverwaltung keine Mail-Listen aller Berliner Schulleiter*innen hat“, sagt Ehrlich-Cypra, „und ad-hoc-Meldungen über die zwölf bezirklichen Schulaufsichten gehen müssen. Und wenn diese krank sind oder die Meldung erst nach Feierabend kommt, dann kann die dringende Meldung erst am nächsten Morgen weitergeleitet werden. In Krisenzeiten total absurd!“

Zudem seien die Informationen und der Hygieneplan aus der Senatsverwaltung generell schlicht zu spät verschickt worden. „Es war sechs Wochen Zeit für eine sinnvolle Infopolitik“, sagt Ehrlich-Cypra. „Wir sind Versuchskaninchen, es bleibt ein mulmiges Gefühl.“

Auch für den weiteren Verlauf des Schuljahrs sind Bartel und Ehrlich-Cypra pessimistisch, was Hilfe aus Scheeres‘ Haus betrifft. Bartel fragt: „Bleibt uns Elternvertretern der 70 Pankower Schulen am Ende wirklich nur die Möglichkeit, selbstständig für die Sicherheit unserer Kinder zu sorgen?“

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