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von Christian Hönicke
Veröffentlicht am 11.05.2023
neuer Senator, alter Streit: Der Kampf um die Bebauung der Elisabeth-Aue geht weiter. Berlins frisch gekürter Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) hat dafür eine zügige Bebauung mit der Maximalzahl von 5000 Wohnungen angekündigt.
Das soll in einer stufenweisen Entwicklung erreicht werden. „Ein erster Bauabschnitt mit mindestens 500 Wohnungen und einer integrierten Sekundarschule soll Anfang 2026 beginnen“, sagte Gaebler der „Morgenpost“.
Auch das umstrittene Projekt „Am Sandhaus“ in Buch soll so groß und schnell wie möglich realisiert werden. Ebenfalls ab 2026 sollen nach Gaeblers Wunsch hier bis zu 3000 Wohnungen entstehen, erste Baggerarbeiten zur Prüfung des Bodens sollen demnächst starten.
Knapp 8000 Wohnungen, lieber gestern als heute – dagegen regt sich in Pankow heftiger Widerstand über alle Parteigrenzen hinweg. Damit auf der Elisabeth-Aue überhaupt etwas passiere, müsse eine Öffentlichkeitsbeteiligung und „ein ordentliches Konzept“ her, fordert etwa Almuth Tharan, die Fraktionsvorsitzende der Pankower Grünen. Wenn dort gebaut werde, müsse dies „behutsam und sinnvoll“ geschehen – und zunächst müsse die Straßenbahnlinie M1 bis zur Elisabeth-Aue verlängert werden: „Sonst werden die ohnehin bestehenden Verkehrsprobleme im Norden Pankows weiter verschärft.“
Zuvor hatte bereits Pankows neue grüne Bürgermeisterin Cordelia Koch im Tagesspiegel-Interview vor einem „neuen Märkischen Viertel“ auf der Elisabeth-Aue gewarnt. Den Vorstoß der Senatsverwaltung hält sie für „sehr politisch: erstmal die Maximalforderung stellen, um dann bei weniger anzukommen. Warten wir mal ab, was am Ende dort steht.“
Koch forderte stattdessen eine „aus der Ortsüblichkeit heraus entwickelte Bebauung“. Diese Formulierung geht auf die neue Partnerin der Pankower Grünen zurück – die CDU. Sie will eine voluminöse Bebauung im Norden des Bezirks verhindern. Zwar sei die schnelle Realisierung des Oberschulstandortes auf der Elisabeth-Aue wichtig, erklärte CDU-Fraktionschefin Denise Bittner. Aber man stehe weiterhin zu den BVV-Beschlüssen, die „eine moderate, aus der Ortsüblichkeit entwickelte Bebauung entlang des Rosenthaler Wegs“ und die Erhaltung von möglichst viel Grün und Natur vorsehen.
Auch in Buch müsse die Bebauung „verträglich“ erfolgen sowie den Schutz von Moorlinse und Moorwiese berücksichtigen, fordert Bittner. „Im Übrigen gehe ich davon aus, dass Senator Gaebler sich an den gerade beschlossenen Koalitionsvertrag auf Landesebene hält, der besagt, dass die erforderliche Infrastruktur von Beginn an beim Wohnungsbau mit geplant werden muss.“ Das sei für die Pankower CDU „unabwendbare Voraussetzung“, damit überhaupt gebaut werden kann. Berlin brauche dringend Wohnraum, aber alle Menschen benötigten auch die nötige Infrastruktur.
Eine „sinnvolle und verträgliche Entwicklung“ der beiden Gebiete fordert auch die Linkspartei. Man dürfe „solche Projekte nicht immer rein von der Zielzahl her denken“, kritisierte deren stadtentwicklungspolitischer Sprecher Fred Bordfeld. Diese sei „völlig überdreht“. Sowohl am Sandhaus als auch auf der Elisabeth-Aue gebe es „nach wie vor ungelöste Probleme“. Dass Gaebler diese Bedenken der Pankower „mit der Sehnsucht nach einem Blick aufs freie Feld diskreditiert, empfinde ich als frech“, so Bordfeld. „Bei allen Vorhaben im Nordosten hängt es hier hauptsächlich an der verkehrlichen Erschließung.“
Wenn Gaebler hier schon 2026 mit dem Wohnungsbau beginnen wolle, „sollte er langsam anfangen, die Gleise für die Straßenbahn aus dem Schrank zu holen“, forderte der Linkspolitiker weiter. Pankow werde „seit Jahren zugebaut, ohne die notwendige verkehrliche Infrastruktur anzugehen.“
Gemäßigter im Ton, aber inhaltlich deckungsgleich äußerte sich die FDP. Sie spricht sich zwar für eine beschleunigte Entwicklung von Elisabeth-Aue und Am Sandhaus aus. „Sie muss allerdings verknüpft sein, unter anderem mit der Ertüchtigung der Verkehrsinfrastruktur vor Ort“, erklärte der Fraktionsvorsitzende Thomas Enge. Bei der Elisabethaue sei das „komplizierter“ – dort brauche es zeitnah ein Verkehrskonzept.
Selbst die Pankower SPD geht in der Causa Elisabeth-Aue auf Distanz zu ihrem Senator. Man begrüße eine Beschleunigung von Pankower Wohnungsbauprojekten „grundsätzlich“, erklärte der Bezirksverordnete Mike Szidat. „Dies kann aber nur einhergehen mit der gleichzeitigen Anpassung der Verkehrsanbindung und der sozialen Infrastruktur.“ Voraussetzung sei der Ringschluss der M1 und der M50 genauso wie der dringend benötigte Schulbau.
Auch Szidat verwies auf den von SPD und CDU initiierten BVV-Beschluss, der eine „behutsame Entwicklung der Elisabeth-Aue losgelöst von irgendwelchen maximalen Wohnungszahlen“ vorsehe. Dies sei dem Bezirk vom damaligen Staatssekretär Gaebler im Oktober 2022 zugesichert worden, bemerkte Szidat: „Hier werden wir den Bausenator beim Wort nehmen.“