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von Christian Hönicke
Veröffentlicht am 11.01.2024
Aufregung am Schlosspark Schönhausen: Nach einem erfolgreichen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin wollte die Gesobau am Donnerstagmorgen nach jahrelangem Streit zur Tat schreiten. Sie habe eine Firma beauftragt, sofort mit den Baumfällarbeiten in den Wohnhöfen an der Kavalierstraße zu beginnen, teilte eine Sprecherin der zuständigen Bezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) mit. Dies wollten protestierende Anwohner verhindern, auch die Polizei war im Einsatz.
Die Fällungen sollten den Bau der umstrittenen Geflüchtetenunterkunft in Pankow vorbereiten. Doch daraus wurde zunächst nichts – der Bezirk schritt erneut ein. „Es konnte verhindert werden, dass die Rodungsarbeiten heute Morgen begonnen haben“, so die Sprecherin. Man habe der Gesobau einen neuen Untersagungsbescheid übergeben.
Die landeseigene Gesobau will in den begrünten Höfen an der Kavalierstraße zwei Gebäude mit 99 Wohnungen errichten. Diese waren zunächst als reguläre Wohnhäuser geplant, nach dem Widerstand von Anwohnern und aus der Pankower Lokalpolitik sollen sie nun per Sonderbaurecht als Geflüchtetenunterkünfte errichtet werden. Dafür müssen nach Rechnung der Initiative „Grüner Kiez Pankow“ 66 Bäume gefällt werden. Die Gesobau spricht dagegen von 36 Bäumen.
Pankows Umwelt- und Naturschutzamt hatte der Gesobau diese Rodung von Bäumen und Sträuchern im Oktober kurzfristig untersagt. Die geplanten Baumfällungen bedrohen demnach geschützte Vogel- und Fledermausarten – darunter den Großen Abendsegler, die Zwergfledermaus, die Mückenfledermaus und die Breitflügelfledermaus.
Einem Eilantrag gegen diese Untersagungsverfügung gab das Verwaltungsgericht Berlin am Mittwoch statt. Das vom Bezirk verhängte generelle Fällverbot für Bäume sei „voraussichtlich rechtswidrig“, hieß es zur Begründung. Zwar dürfe Pankows Naturschutzbehörde „nach dem Bundesnaturschutzgesetz die zur Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorschriften erforderlichen Maßnahmen ergreifen“.
Der Bezirk habe aber mit dem Fällverbot auf unbestimmte Dauer „eine denkbar weitreichende Maßnahme gewählt, ohne weiter darzulegen, welche konkreten Maßnahmen zur Aufklärung und Bewertung des Sachverhalts sie zu ergreifen gedenke und wieviel Zeit sie hierfür benötige“. Das sei unverhältnismäßig – auf diese Weise werde das Bauprojekt „ auf unbestimmte Zeit verzögert bzw. möglicherweise gänzlich vereitelt“.
Der Bezirk hält sein Vorgehen dennoch weiterhin für rechtmäßig. Nach seiner Ansicht hätte sich die Gesobau mit dem sofortigen Beginn der Baumfällarbeiten strafbar gemacht. Denn es sei „unabhängig vom Ausgang des Verfahrens“ gemäß Naturschutzgesetz verboten, „wild lebende Tiere an ihren Überwinterungs- und Ruheplätzen zu stören“. Von den geplanten Rodungsarbeiten seien „gegebenenfalls in den Höfen überwinternde Vögel und Fledermäuse direkt betroffen“.
Außerdem habe die Gesobau bisher nicht ausreichende Kompensationsmaßnahmen wie Ersatznistkästen veranlasst. Genauere Angaben machte der Bezirk nicht – noch immer ist die artenschutzrechtliche Prüfung des Pankower Naturschutzamtes nicht abgeschlossen. Wann genau die von der Gesobau gewünschte Ausnahmegenehmigung, die zur Rodung berechtigen würde, erteilt werden könnte, sei „derzeit nicht abschätzbar“.
Sollte die Gesobau dennoch vorher mit den Fällungen beginnen, wäre „mindestens eine ordnungs- bzw. strafrechtliche Verfolgung“ wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz die Konsequenz, kündigte die Behördensprecherin an. Es würden „Bußgeldzahlungen oder Freiheitsstrafen“ drohen.
Die Gesobau reagierte zunächst nicht auf eine Tagesspiegel-Anfrage.