Kultur
Künstler bauen Minidorf auf dem Mirbachplatz
Veröffentlicht am 13.06.2019 von Christian Hönicke
Auf dem Mirbachplatz in Weißensee stand einst die Bethanienkirche, die im Krieg zerbombt wurde – nur der Turm blieb stehen. Der neue Eigentümer des Areals kündigt schon seit Jahren an, auf dem Platz Wohnungen bauen zu wollen. Stattdessen wuseln hier plötzlich Menschen und bauen kleine Holzhäuser (siehe Foto weiter unten in der Kiezkamera). Ein Revival der Besetzerszene?
Nein, sie seien keine Besetzer, im Gegenteil, sagt Pia Grüter. Die Künstlerin ist eine von fünf Tiny-House-Fans, die sich zum Projekt „Insel Weißensee“ zusammengeschlossen haben – „weil wir uns mitten auf einer Verkehrsinsel befinden“. Grüter wohnt eigentlich in Charlottenburg, sie stieß während einer Fahrradtour im Sommer 2018 auf die Kirchenruine. Daraufhin kontaktierte sie den Eigentümer Bernd Bötzel und fragte, ob sie den Platz für ein Tiny House nutzen könne. Der Architekt will hier Wohnungen unter Einbeziehung der Turmruine bauen. Doch das ist kompliziert, der Baustart zieht sich schon länger hin.
Als Zwischennutzung genehmigte Bötzel deshalb den Bau eines Miniaturhauses. „Er fand das auch als Architekt sofort interessant“, sagt Grüter. Sie bezog ihr Minihaus auf dem Mirbachplatz im Oktober 2018. „Ich habe es als mobiles Künstlerstudio gebaut, in dem Künstler temporär wohnen und arbeiten können. Doch mir fehlten schnell direkte Nachbarn auf dem Platz“, sagt Grüter. „Der Garten war für mich allein zu groß.“
Bald fand sie Mitstreiter, die sie durch verschiedene Projekte zum Thema Tiny Houses kennen gelernt hatte: die Studentin Katharina Hohaus, die Designerin Kerstin Stepper, den Garten- und Landschaftsbauer Kornelius Maurath und den Tiny-Haus-Architekten Max Warkentin. Gemeinsam gründeten sie die „Insel Weißensee“.
„Wir bauen alles selbst und lernen uns selbst das Knowhow an“, erzählt Grüter. Zwei der Häuser sind noch im Bau – eins davon ist das Gemeinschaftshaus von Warkentin als Treffpunkt, zum Kochen und gemeinsamen Essen. Es hat ausklappbare Wände, die man außen als Tische nutzen kann.
Jedes Haus hat eine Schlafebene, eine Küchenecke, Stauraum, einen Tisch und ein Sofa, per Aufbereitungsanlage wird Regenwasser gefiltert, eines der Häuser hat sogar eine Dusche. Geplant sind Solarpaneele, um eignen Strom zu erzeugen. Derzeit kommt der Strom noch aus den Leitungen der Kirchenruine.
Die Bewohner haben mit dem Eigentümer individuelle Nutzungsvereinbarungen unterschrieben – es soll ein demokratisches, gleichberechtigtes Projekt sein. „Zum Eigentümer haben wir einen sehr guten und positiven Kontakt, und wir sprechen uns mit ihm ab“, sagt Grüter. Das Projekt nütze wirklich allen: „Wir haben Stellplätze für die Häuser und können mit Konzepten experimentieren. Wir zahlen dafür nichts, aber Herr Bötzel hat Platzwächter, die auf das Grundstück achten. Und die Nachbarn haben wieder was vom Platz.“
Es gibt einen monatlichen Tag der offenen Tür mit einem Nachbarschafts-Tonnenfeuer. Das benachbarte Eiscafé „Eisspatz“ hat Tische und Stühle im Garten aufgebaut, Gemüse-Hochbeete laden zum Urban Gardening ein. Gerade werden ein Bücher-Tauschregal eingerichtet und ein Spieleregal, aus dem man sich frei bedienen darf, um auf dem Platz Gesellschaftsspiele zu spielen. Eine kleine Dorfidylle in der Großstadt.
Doch es ist eine Idylle auf Zeit. Die Häuser können per Anhänger transportiert werden, und das müssen sie bald wohl auch. Das Projekt „Insel Weißensee“ ist befristet, der Vertrag mit Bötzel läuft nur bis Oktober. Dann müssen Grüter und ihre Mitstreiter eine andere Fläche für ihr Minidorf finden. „Vielleicht findet sich eine andere Brachfläche, deren Eigentümer das Konzept interessant findet“, sagt Grüter. „Dann könnte das Projekt einfach umziehen.“
Kontakt zur Insel Weißensee können Sie per Facebook oder per Mail aufnehmen.