Kultur
Colosseum soll Kiezkino werden: Ex-Mitarbeiter gründen Genossenschaft
Veröffentlicht am 23.09.2021 von Christian Hönicke
Eine neue Genossenschaft will das Traditionskino Colosseum pachten und weiterbetreiben. Die „Kulturgenossenschaft Colosseum – UnserKINO eG (i.G.)“ besteht aus einigen Ex-Kinomitarbeitern und hat sich vergangenen Sonntag gegründet. Ziel sei es, das seit März 2020 geschlossene Kino in der Schönhauser Allee „auch künftig als Kino- und Kulturstandort zu erhalten sowie das historisch bedeutsame Gebäude vor der Umwandlung in einen Bürokomplex zu schützen“.
Man wolle „mit einem tragfähigen Konzept eine Alternative zum Investorenmodell“ anbieten, erklärt Klaus Mindrup. Der SPD-Politiker ist Aufsichtsratsvorsitzender der neuen Genossenschaft. Er bezieht sich auf die Hamburger Immobilienfirma „Values Real Estate“, die das Colosseum von den Erben des Filmproduzenten Artur Brauner erwerben und zu einem „Büro- und Kulturkomplex“ umbauen will. Einen Bauvorantrag dazu hat das Bezirksamt bereits genehmigt. [Der Text stammt aus dem aktuellen Pankow-Newsletter. Den können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Die Genossenschaft fordert dagegen einen Ankauf durch das Land Berlin. „Wir bieten uns dabei als Kulturbetreiber an, der per Pachtvertrag tätig wird“, sagt Mindrup. Das notwendige Eigenkapital zum Kinobetrieb wolle sich die Genossenschaft „aus dem Kiez holen“. Sie will dazu mindestens 5000 Genossenschaftsanteile für jeweils 150 Euro verkaufen. „Wir haben das durchgerechnet, es würde gehen“, sagt Mindrup. „Es gibt in Deutschland schon verschiedene Kinogenossenschaften.“
Das künftige Colosseum solle dann „kein Multiplex sein, sondern eines, das zu Prenzlauer Berg passt“. Zwei der zehn Kinosäle sollen dauerhaft für „ein diverses kulturelles Programm“ aus Theater, Ausstellungen, Musikveranstaltungen oder Comedy zur Verfügung gestellt werden.
Einen Kontakt zur Brauner-Familie gibt es laut Mindrup zwar bisher nicht, aber „wir wollen in den nächsten Monaten in ernsthafte Verhandlungen kommen“. Auch wenn das Land das Areal nicht erwerbe, wolle man sich als Pächter dem neuen Eigentümer anbieten: „Wir reden mit jedem, wir beschimpfen auch keinen. Wir haben uns neun Monate gegeben, um eine Lösung zu finden.“
Nach der Gründung der Genossenschaft brach in der Bezirkspolitik ein offener Streit um die Zukunft des Kinos aus. Die Grünen werteten dies in einer Pressemitteilung zwar „als Schritt in die richtige Richtung“. Es sei „nun auch von der SPD ein halbwegs konstruktiver Beitrag zur Debatte“, erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzende Cordelia Koch. „Denn bisher hat die Pankower SPD vor allem daran gearbeitet, dass auf dem Gelände nichts passiert.“
Die SPD wies das zurück. Die Grünen stünden „nicht an der Seite der Nachbarinnen und Nachbarn und der ehemaligen Beschäftigten, um gemeinsam den Standort zu erhalten, sondern haben sich auf die Seite eines einzelnen interessierten Privatinvestors geschlagen“, hieß es in einer Mitteilung. Auch Michel Rieck erhob schwere Vorwürfe in Richtung Grüne. Er ist ehemaliges Kino-Betriebsratsmitglied und nun Vorstand im Verein „Rettet das Colosseum“ sowie in der neuen Genossenschaft. „Die Grünen stellen es so hin, als wenn sie sich als Einzige sich um das Haus gekümmert haben“, sagt Rieck. „Das ist eine Frechheit.“
Er versuche mit weiteren ehemaligen Mitarbeitern seit anderthalb Jahren, den Kinobetrieb zu retten. „Wir haben jetzt einige SPD-Mitglieder an Bord, aber wir wollen gar nicht politisch sein – wir haben nur nach jemandem gesucht, der uns überhaupt unterstützt“, sagt Rieck. „Die SPD hat sich bei uns gemeldet, wir hätten auch gern mit den Grünen oder intensiver mit den Linken gearbeitet. Aber von den Grünen kam nie etwas.“
Rieck kritisiert, dass die Grünen stattdessen das Konzept der „Values Real Estate“ befürworten. „Es zeichnet sich ein Bild für uns, als wenn die Grünen von Anfang an den Investor unterstützt haben“, so Rieck.
Grünen-Fraktionschefin Koch erklärte dazu, ein Ankauf durch das Land sei aus Sicht ihrer Partei unrealistisch: „Mit Franziska Giffey wird das Land Berlin das Colosseum sicher nicht kaufen.“ Die SPD betreibe „Realitätsverweigerung“. Die Pankower SPD schoss zurück: „Die Art und Weise, wie sich die Pankower Grünen den Interessen eines einzelnen Investors unterwerfen, macht uns fassungslos.“ Die BVV-Fraktion der SPD twitterte außerdem: „Hier geht es um Arbeitsplätze und Tradition sowie Kultur! Eure Büros und Hochhäuser, die ihr euch wünscht, werdet ihr mit uns nicht bekommen.“
Die Zukunft des Kinos hat jedoch de facto nur eine Partei in der Hand: die Familie Brauner. Die hat sich seit mehr als einem Jahr nicht mehr öffentlich zu ihren Plänen geäußert. Rieck meinte dazu, einen Kontakt zur Familie gebe es seitens der Genossenschaft noch nicht: „Wir wissen noch nicht, wie die Brauners unsere Genossenschaft aufgenommen haben. Allerdings haben wir in den ersten 24 Stunden schon eine Menge Anträge von Menschen erhalten, die uns unterstützen wollen.“ – Text: Christian Hönicke
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