Kultur
Thälmann-Denkmal: "Historisch-kritische Kommentierung" kommt später
Veröffentlicht am 28.10.2021 von Christian Hönicke
Die „künstlerische Kommentierung“ des Thälmann-Denkmals in Prenzlauer Berg ist vollendet und soll am 18. November öffentlich präsentiert werden. Die umstrittene „historisch-kritische Kommentierung“ allerdings noch nicht – die soll später nachgereicht werden, erklärte der zuständige Bürgermeister Sören Benn (Linke) auf Tagesspiegel-Nachfrage. Sie soll auf zwei Tafeln erfolgen, die am Denkmal des 1944 von den Nazis ermordeten KPD-Politikers Ernst Thälmann aufgestellt werden sollen. Vorher muss allerdings erst der Historikerstreit um die Formulierung beigelegt werden. [Der Text stammt aus dem aktuellen Pankow-Newsletter. Den können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Unumstritten fertig sind zumindet die „zehn essayistischen Kurzfilme rund um das Denkmal und den Ort“ des Projekts „VOM SOCKEL DENKEN“ der Künstlerin Betina Kuntzsch. Die Filme sollen künftig von Besuchern per QR-Code auf dem Handy abgerufen werden können, die auf Stelen vor dem Denkmal angebracht werden. Am Mittwoch wurden sie bereits dem Fachpublikum auf dem Dokumentarfilmfestival DOK in Leipzig gezeigt – als Zusammenschnitt mit dem Titel „KOPF FAUST FAHNE – Perspektiven auf das Thälmanndenkmal“. Die Einladung zum Festival sei „ein Ritterschlag“, erklärte die Produzentin des Films, Grimme-Preisträgerin Marie Wischnewski.
Doch die wahre Premiere soll am 18. November direkt am Ort des Geschehens in der Greifswalder Straße erfolgen. Dann ist die feierliche Übergabe an die Öffentlichkeit direkt am Denkmal geplant, mit anschließender Filmpremiere in der nahegelegenen WABE (Danziger Straße 101) und um 18.30 Uhr im Rahmen des interfilm Festivals im Zeiss-Großplanetarium.
Fehlen werden dabei jedoch die Tafeln, die Thälmanns Wirken und seine Verklärung in der DDR auch für Nicht-Smartphone-Nutzer ersichtlich einordnen sollen. Um die Texte auf diesen Tafeln hatte es einen Expertenstreit gegeben, in dessen Folge der Historiker Jens Schöne aus der vierköpfigen Kommission zurückgetreten war. Er störte sich an der beabsichtigten Formulierung, dass es neben dem offiziellen Heldenkult um Thälmann in der DDR auch eine „volkstümliche Verehrung des KPD-Vorsitzenden“ gegeben habe, „die eine gewisse Widerständigkeit gegen die erstarrte DDR-Wirklichkeit auszudrücken versuchte“. Schöne sagt dem Checkpoint unlängst dazu: „Das halte ich als Historiker für Unsinn und als Zeitzeuge für Quatsch.“
Und nun? „Die historisch-kritische Kommentierung auf zwei Stelen wird im Nachgang ergänzt, sobald ein von der Gedenktafelkommission autorisierter Text vorliegt“, erklärt Bezirksbürgermeister Benn. „Ich hoffe bis Ende des Jahres.“ Dazu habe der Leiter der bezirklichen Gedenktafelkommission, Bernt Roder, alle Kommissionsmitglieder für Anfang November eingeladen.
Auch Schöne wird dabei sein, obwohl er „formalrechtlich nicht mehr Mitglied der Kommission“ ist. Es sieht allerdings weiterhin „berechtigten Gesprächsbedarf“ hinsichtlich der Formulierung und will mitreden: „Auch der Bürgermeister hat ja gesagt, dass es für ihn es diesen Thälmann-Volksglauben nicht gab.“ Bei historischen Dingen könne man zu unterschiedlichen Bewertungen kommen, so Schöne: „Das muss dann ausdiskutiert werden. Ich hoffe, dass wir das heilen können und einen finalen Text finden.“ Er wolle sich dazu gern „inoffiziell“ einbringen.
Benn erklärte, sich in diesen Streit nicht einmischen zu wollen. „Die Texterarbeitung sollte den Fachleuten überlassen bleiben und der dafür von der BVV eingesetzten Gedenktafelkommission.“ Diese hätten „freie Hand“ und „es gibt keine ‚Endabnahme‘ durch mich“. Den idealen Ablauf skizzierte er so: Die HistorikerInnen sollten „einen historisch-kritisch einordnenden Text“ formulieren, ohne jede Zeichenbegrenzung. „Eine vom Museum beauftrage Autorin destilliert daraus einen Text für die auf die Stelen passende Zeichenzahl. Beides geht an die Gedenktafelkommission, die dann entscheiden muss, was da final drauf soll.“ – Text: Christian Hönicke
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