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Sicherheitsrisiko Fußgänger? VLB lehnt längere Grünphase auf Wollankstraße ab

Veröffentlicht am 23.01.2020 von Christian Hönicke

Die Verkehrswende soll kommen – Rad- und Fußverkehr sollen besser geschützt werden. Soweit zumindest die Theorie – wie wenig davon in der Praxis ankommt, zeigt das Beispiel Wollankstraße. Dort lehnt die Verkehrslenkung Berlin (VLB) eine Verlängerung der Ampelgrünphasen für Fußgänger ab – und zwar aus „Sicherheitsgründen“.

Es geht um die Fußgängerampel an der Kreuzung Wollankstraße/Florastraße. Sie ist für ihre Gefährlichkeit berüchtigt: Gerade für ältere Menschen oder Eltern mit kleinen Kindern ist es fast unmöglich, die Wollankstraße zu überqueren, ohne von Autofahrern angehupt oder bedrängt zu werden. Immer wieder versuchen Pankows Lokalpolitiker deshalb, die ultrakurze Grünphase verlängern zu lassen. Den jüngsten Versuch gab es im Januar. In einem Beschluss forderte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) das Bezirksamt auf, hier bei der Senatsverkehrsverwaltung Druck zu machen. Die Stelle sei extrem gefährlich, weil durch die nahe Bushaltestelle besonders viele Fußgänger die Wollankstraße an dieser Stelle überqueren.

Doch die Verkehrsverwaltung bleibt hart. „Die vorhandenen Grünzeiten und Zwischenzeiten sind zur sicheren Querung der Wollankstraße ausreichend“, teilte die bei der Verwaltung ansässige VLB mit. Die Ampelschaltung sei „StVO- und regelwerkskonform“, die Verantwortung für die Sicherheit der Fußgänger wird auf die Polizei abgewälzt: „Treten wiederholt Verstöße gegen die StVO auf, wären gezielte Kontrollen durch die Polizei ein probates Mittel, diese durchzusetzen.“

Besonders skurril: Die VLB begründet die offenbar alternativlose Gefährdung der Fußgänger mit dem Verweis auf den ÖPNV – der doch eigentlich für Fußgänger gedacht ist. „Durch die einbiegenden Busse der Linie M27 aus der Florastraße wird die Freigabezeit zu deren Gunsten umverteilt“, heißt es. „Eine grundsätzliche Erhöhung der Grünzeiten für zu Fuß Gehende der Nebenrichtung würde zyklisch zu erheblichen Nachteilen im Fahrverkehr der Wollankstraße, inklusive der dort verkehrenden Busse, führen.“ Im Angesicht von 23 getöteten Fußgängern in Berlin im vergangenen Jahr klingt dabei folgender Satz geradezu zynisch: „Eine zusätzliche Zuspitzung der bereits heute vorhandenen Überlastungserscheinungen in der Wollankstraße ist aus Sicherheits- und Emissionsgründen zu vermeiden.“

Je kürzer das Grün für Fußgänger, desto sicherer wird also der Verkehr – so sieht es zumindest die VLB. Da wird es schwer mit der Verkehrswende in der Praxis. Denn wenn man sein Leben riskieren muss, um in den Bus zu kommen, dann nimmt mancher lieber gleich das Auto. Und was sagt das Bezirksamt dazu? Es sieht „leider keine weiteren Möglichkeiten, hier zu einer Änderung der Ampelphasen zu kommen“. – Text: Christian Hönicke 

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