Namen & Neues
Colosseum: Bezirk und Senatsbehörde wussten seit einem Jahr Bescheid
Veröffentlicht am 30.07.2020 von Caspar Schwietering
Wenn wieder eine Aktion zur Rettung des Colosseums startet, dann richtet sich der Ärger der Teilnehmer vermutlich vor allem gegen die Eigentümer des Kinos und die Bezirkspolitik. Dabei ist auch eine Senatsbehörde frühzeitig in die Pläne für die Immobilie eingeweiht gewesen. Sie hat sich nicht nur an Ort und Stelle ein Bild gemacht, sondern stimmte den jetzt vorliegenden Plänen sogar zu. Wie berichtet, soll das Multiplexkino einem Büro- und Geschäftshaus weichen. Die denkmalgeschützten Gebäudeteile, darunter der alte Kinosaal und andere Teile des historischen Pferdebahndepots, die Mitte der 1990er Jahre in den Neubau integriert wurden, bleiben stehen.
Am 7. Juni 2019 – also schon vor mehr als einem Jahr– gab es einen Ortstermin im Kino, an dem Vertreter des Landes- und bezirklichen Denkmalschutzes teilnahmen. So steht es jedenfalls in der Antwort von Stadtentwicklungsstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/Grüne) auf eine Anfrage des FDP-Bezirksverordneten Thomas Enge. Die Fachleute sollten anschließend beurteilen, ob erste Pläne für die Neugestaltung des Areals an der Schönhauser Allee/Ecke Gleimstraße realisierbar seien. Am 19. Juni lagen diese den Denkmalschützern vor – und lehnten ab. Es folgte dann am 7. August ein Gespräch zwischen Architekturbüro, Stadtplanungsamt und Denkmalschützern, wo die Probleme offenbar geklärt werden konnten. Sechs Tage später mailten die Architekten ihre überarbeiteten Pläne und bekamen das Okay von den Denkmalschützern des Bezirks – und eben des Senats.
Warum dabei der Verlust eines Multiplexkinos samt Dutzender Arbeitsplätze keine Rolle spielte? Das Landesdenkmalamt beantwortet die Frage so: Die Planung habe sich auf den Ersatzneubau für das in den 1990er Jahren errichtete Gebäude in der Gleimstraße bezogen. „Das historische Kino einschließlich Kinosaal und Foyer (zur Schönhauser Allee) sollte ausdrücklich erhalten werden.“ Deswegen habe auch keine Notwendigkeit bestanden, beispielsweise Kultursenator Klaus Lederer (Linke) oder seinen Staatssekretär Gerry Woop (ebenfalls Linke) zu informieren. So blieb Woop nichts weiter übrig, als nach der Schließung des Colosseums zu verkünden: „Der Verlust dieses Kinostandortes wäre sehr bedauerlich.“
Als sich die Denkmalschützer mit dem Kino befassten, wusste allerdings das Bezirksamt Pankow schon viel länger, dass da was im Busche war. „Im April gab es eine Mail-Anfrage des Architekturbüros ans Stadtplanungsamt“, sagt Matthias Zarbock, der Chef der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), der sich bereits Unterlagen zu dem Fall ansehen konnte (und damit ein bisschen schneller war als sein CDU-Kollege Johannes Kraft, der erst vorige Woche angekündigt hatte, Akteneinsicht zu beantragen). Laut Zarbock nahmen die Pläne den üblichen Verwaltungsweg, es sei geprüft worden, was möglich ist. Es mache ihn aber sprachlos, dass dabei nicht daran gedacht wurde, was auf dem Spiel steht. Dennoch: Niemandem unterstelle er böse Absicht. „Das Amt hat vor sich hingearbeitet“, sagt Zarbock. Eine Information „nach oben“ (also an Stadtrat Kuhn) sei nach seinem bisherigem Kenntnisstand unterblieben.
Wie geht’s nun weiter? Nach der Sommerpause wird das Colosseum Thema im zuständigen BVV-Ausschuss sein. Die CDU hat bereits kritische Fragen angekündigt, und auch dem Linken-Fraktionschef Zarbock ist noch einiges unklar. „Nicht alle Vorgänge sind in den Akten nachvollziehbar.“ So seien Mailwechsel offenbar noch nicht vollständig zu den Unterlagen genommen worden, und da hoffe er auf Aufklärung.
Die Hoffnung will Zarbock auch bei der Rettung des Kinostandorts nicht aufgeben. „Das Colosseum muss Kulturstandort bleiben. Aber das geht nur im Zusammenspiel mit den Eigentümern und Investoren.“ Er setze auf jedenfalls auf weitere Gespräche – nicht nur in bezirklichen Gremien. – Text: Björn Seeling / Foto: Sabine Gudath/Imago
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